(1) Ist das Verpackung oder kann das weg?

Es waren nur sechzehn Tage, dann war die Kunst schon wieder weg. Oder ist sie jetzt wieder da? Ist die Verpackung die Kunst oder das Verpackte unter der Verpackung? Oder das erneut Enthüllte? Oder alles zugleich? Mit fünf Fotos auf den Spuren des Ewigen im Vergänglichen.

Das Kunstwerk vom Kunstwerk am lichten Nachmittag, erspäht aus der Avenue Carnot, einer der Strahlen des Étoile, dem großen Stern von Paris. Foto © Michael Magercord

(Michael Magercord) – Christo und Jeanne-Claude verfolgten dieses Projekt seit 1962, nun wurde es wahr. Und? Die Künstler haben immer gesagt, ihre Werke hätten nichts zu bedeuten, seien flüchtige Erscheinungen, gedacht nur für den Augenblick ihrer Anschauung. Aber genügt das dem Betrachter? Rührt sich da in ihm nicht der Wunsch nach dem Ewigen im Flüchtigen, dem Festhalten des Momentes. Was tun? Ein Foto machen und nun mal schauen, was jetzt noch so kommt – der erste Anblick.

Ein Block am Ende der Straße. Der war da natürlich schon immer, nur eben im hellen Braun, wie der Häuserblock davor. Heute ist er weiß. Na und? Und doch, es hat sich was geändert: Der Triumphbogen kann einpacken. So ist er nur noch Böglein. Zwar verpackt, aber nackt. Ohne seine Reliefs, ohne den Schlachtenfriesen, ohne bärtige Kriegsriesen, ohne die beschwertete Marianne in Ritterrüstung, ohne die Damen mit Fanfaren unter der Brüstung – was bleibt da noch?

Schaut doch auf das Haus davor mit seinen Ornamenten, den Fenstersimsen und Mansarden untern Dach: Man stelle sich vor, es wäre auch verpackt. Nur noch Block an Block, man vermeinte sich in einem der Sozialwohnungsbauvororte… Da sind wir aber nicht, wir sind in Paris, mitten in der Hauptstadt der Republik, vor uns erhebt sich die Ruhmesstätte der Nation. Sie war immer ein Block im Straßenraum und sollte es auch sein, doch verpackt erscheint sie wie eingeschrumpft.

Oder reduziert auf das Wesentliche? Ich muss zugeben, beim ersten Anblick erinnerte ich mich unweigerlich an einen anderen Triumphbogen, den ich vor vielen Jahren einmal genauso wahrgenommen hatte, wie nun den verpackten in Paris. Jene Ruhmesstätte aus dem Jahr 1982 wurde dieser in Paris nachempfunden, ist sogar drei Meter höher und somit jetzt der höchste Triumphbogen der Welt. Er ist noch wuchtiger, noch blockiger, noch kantiger als sein Vorbild, und auch ohne Verpackung strahlend weiß. Dadurch soll er wohl ruhmreicher erscheinen als französisches sein Vorbild – und erschien doch soviel kleiner.

Was also hat – auf den ersten Blick – die Pariser Verpackung geleistet? Umverpackung soll eigentlich aus dem verpackten Objekt ein geheimnisvolles Großes machen, nicht umsonst gesellt sich oft das böse Wort „Betrug“ zum Begriff der Verpackung. Doch nun mitten in Paris das Gegenteil: die Verkleinerung des Großen – ob diese Wandlung als hohe Kunst gelten darf?

Ach ja, dieser andere Triumphbogen, der sich – oh, höchste aller Verwandlungskünste – von selbst verkleinert, befindet sich übrigens in Pjöngjang, der monumentalen Hauptstadt von Nordkorea. Paris–Pjöngjang, so kann’s kommen…

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