100 Weltstädte sind „Cities of Migration“

Vertreter aus über 100 internationalen Großstädten treffen sich in Berlin, um ihre Willkommenskultur zu optimieren und ihre Vielfalt gewinnbringend zu gestalten.

Rita Süssmuth hielt ein flammendes Plädoyer für einen anderen Umgang mit Immigranten. Foto: © Bernd Hatesuer

(Berlin, Bernd Hatesuer) – Aus- und Einwanderung von Menschen hat von jeher die Entwicklungs- und Zivilisationsverläufe der Menschheit in großen Maßen mitbestimmt und geprägt. Kaum vorstellbar, aber Europa, Amerika und Australien wären ohne Migranten heute menschenleer. Selbst in Asien, dort, wo aktuell ca. 4 Milliarden Menschen leben (das ist über die Hälfte der gesamten Weltbevölkerung), wäre heute kein Mensch anzutreffen. Wenn sich unsere gemeinsamen Vorfahren vor 60.000 – 120.000 Jahren -über den genauen Zeitpunkt sind sich die Wissenschaftler nicht ganz einig- nicht von Afrika aus auf den Weg in alle Welt gemacht hätten. In Berlin fand nun eine Konferenz von 100 internationalen Metropolen zu diesem Thema statt.

Ohne den Mut oder den Zwang, den bekannten Lebensort zu verlassen und sich auf das Ferne und Unbekannte einzulassen, also ohne Migration, gäbe es gar keine menschliche Zivilisation, wie wir sie heute kennen. Es ist sogar anzunehmen, dass die menschliche Art ohne diese Anpassungsleistung ganz ausgestorben wäre.

Ganz im Gegensatz zu diesen Einsichten steht ein heutzutage weit verbreitetes Bild, in dem Zuwanderer weitgehend mit Problemen, Belastungen und Konflikten in ursächlichen Zusammenhang gebracht werden. Ausgerechnet in Europa werden Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, um ihr Leben zu retten, kriminalisiert. Nicht selten werden sie in Gefängnisse und Sammellager gesperrt oder sogar daran gehindert, das rettende Ufer überhaupt zu erreichen – trotz grausamer Gewissheit, sie damit in den sicheren Tod zu schicken. Das gute Gewissen Europas wird dabei gleich im Meer mit versenkt.

Die kanadische Maytree Foundation will dieses Bild zurecht rücken und dazu beitragen, dass Migranten nicht als Bedrohung, sondern als Entwicklungs- und Wachstumsressource wahrgenommen werden und das ihnen inne wohnende Potential sinnvoll weitergeleitet und zum Wohle aller genutzt wird. „Das ist doch eine ganz einfache Rechnung. Da muss man gar kein Professor der Wirtschaftswissenschaften sein. Es leuchtet jedem gesunden Menschenverstand ein. Einwanderung bringt den kanadischen Städten sowohl wirtschaftliche als auch soziale Bereicherung und damit automatisch einen Zuwachs an Wohlstand für das ganze Land“, weiß Alan Broadbent, Chairman und Gründer von Maytree. Es ist zu hoffen, dass sich diese frohe Botschaft überall verbreitet – gerade auch im reichen Europa. Und das ist ja dann auch eines der Ziele dieser Konferenz.

Seit ihrer Gründung im Jahre 1982 hat sich die private Stiftung unter seiner Leitung die Bekämpfung von Armut und Ungleichheit sowie den Aufbau und die Stärkung zivilgesellschaftlicher Strukturen in Kanada zum Ziel gesetzt. Vor fünfeinhalb Jahren wurde von ihr „Cities of Migration“ ins Leben gerufen, eine Initiative zur Vernetzung internationaler Weltstädte, zu Fragen der Migration und Integration von Zuwanderern, mit dem Ziel der gegenseitigen Inspiration und dem Kennenlernen der jeweils gut funktionierenden Willkommenskultur und den besten Ideen und Methoden zur Schaffung von inklusiven, lebendigen und nachhaltigen Gemeinwesen.

Etwa 430 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus 35 Ländern waren in die Räume der Heinrich Böll Stiftung in Berlin gekommen, um Informationen über ihre jeweiligen Vorgehensweisen und Verfahren bzw. ihre Politik austauschen und mit vielen guten Ideen in den Köpfen wieder nach Hause fahren, um die dortige Willkommenskultur zu beflügeln.

Olaf Scholz, Oberbürgermeister der Stadt Hamburg, ließ gleich in der ersten Podiumsrunde durchblicken, dass er in Hamburg ausschließlich hochqualifizierte und gut ausgebildete Migranten willkommen heißen will. Und da war sie wieder, diese zynische Unterteilung in „gute“ und „schlechte“ Migranten, eines der Hauptprobleme dieser Diskussion.

Besonders großen Beifall erhielt Rita Süssmuth, ehemalige Bundestagspräsidentin, für ihre souveräne, eindeutige und glaubwürdige humanistische Positionierung. Für ihre Aufforderung an Bürger, Zivilgesellschaft und Regierungen im reichen Westen, Verantwortung zu übernehmen, das Gewissen nicht außer Acht zu lassen und die Zuwanderung von Menschen aus anderen Ländern und Kulturen als eine Bereicherung wahrzunehmen, erhielt sie großen Beifall. Wie schade, dass Politiker immer erst dann die richtigen Positionen finden, wenn sie nicht mehr im Amt sind und folglich nichts mehr bewegen können.

Die Veranstalter haben mit dieser großartigen Tagung Maßstäbe gesetzt. Sie haben erkannt, dass der Komplexität der Themenstellung nur mit internationaler und interdisziplinärer Synergie zu begegnen ist. Sowohl die Kooperation zwischen den zahlreichen Stiftungen aus Nordamerika und Europa, mit deren Unterstützung diese Tagung realisiert wurde, als auch die Teilnehmermischung aus Regierungsvertretern, Wissenschaftlern, NGOs und anderen zivilgesellschaftlichen Kräften, entsprechen diesem modernen Ansatz, der auch Teil einer Antwort auf die Krise der Demokratien in der globalisierten Welt sein könnte. „Cities of Migration“ wird von sich hören lassen. Beim nächsten Mal vielleicht aus Sao Paulo.

Weitere Informationen über „Cities of Migration“ finden Sie, wenn Sie HIER KLICKEN!

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste