14. Juli 1789 – 14. Juli 2020

Braucht Frankreich eine „Französische Revolution 2.0“? Die Unzufriedenheit gärt in der Bevölkerung...

Eigentlich war der Sturm auf die Bastille gar nicht der entscheidende Moment der Französischen Revolution 1789. Foto: Anonymus / Musée de l'Histoire de France / Wikimedia Commons / PD

(KL) – In den Geschichtsbüchern kann man es nachlesen – vor mehr als 200 Jahren war Frankreich eine Monarchie unter König Ludwig XVI. und seiner Gemahlin Marie-Antoinette. Diese interpretierten das Konzept „Macht“ durch verschwenderischen Luxus, der rund 5,6 % der gesamten Staatsausgaben für Feste und andere Freizeitaktivitäten verschlang. Da aber gleichzeitig das Volk darbte, kam es zu einer Art politischer Kettenreaktion, die am 14. Juli 1789 zum Sturm auf das Stadtgefängnis „Bastille“ führte und obwohl damals nur eine Handvoll Häftlinge dort einsaß und sich die Wachmannschaften relativ schnell ergaben, ging dieses Ereignis als Schlüsselmoment der Revolution in die Geschichte ein. Und deswegen ist der 14. Juli heute noch der französische Nationalfeiertag. Nur, wenn man genau hinschaut, dann ähneln sich die Situationen zwischen 1789 und 2020 mehr, als das der Regierung lieb sein könnte – wenn sich nicht schleunigst etwas tut, könnte Frankreich seine nächste Revolution erleben. Interessanterweise aus den gleichen Gründen wie 1789.

Präsident Emmanuel Macron, der sich selbst zuweilen als „Jupiter“ selbst zur gottgleichen Lichtgestalt hochstilisiert, interpretiert das Konzept „Macht“ auf ähnlich feudale Art und Weise wie seine gekrönten Vorgänger ein paar Jahrhunderte zuvor. Er regiert seit ein paar Monaten häufig per Dekret, also ohne in allen Fragen das Parlament zu konsultieren, er legt seit Amtsantritt eine große Verachtung für alle an den Tag, die unter der schwierigen wirtschaftlichen Situation zu leiden haben und führt konsequent eine Politik, die vor allem denjenigen nützt, die das gar nicht brauchen. Für die Schwächsten der französischen Gesellschaft bleiben leere Versprechen und ein aufgeblähter Verwaltungsapparat, der erfolgreich verhindert, dass beispielsweise Hilfsprogramme dort ankommen, wo sie hingehören.

Doch der 14. Juli 1789 war eigentlich gar nicht der wichtigste Tag in der Geschichte der Französischen Revolution. Der kam nämlich erst am 26. August 1789 mit der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. Diese sind heute noch eine Referenz, auch, wenn sie von den Mächtigen dieser Welt täglich verhöhnt und nicht eingehalten werden.

Vergleicht man einmal die Situation 1789 und diejenige von 2020, entdeckt man viele Parallelen. 1789 waren die Staatskassen leer und der gerade aufkeimende Kapitalismus war eine Gelegenheit für die Monarchie, die Kassen von den Bürger*innen füllen zu lassen. 2020 ist geplant, die Staatskassen durch eine Rentenreform zu entlasten, bei der fast alle Bürger*innen heftige Einbußen hinnehmen müssen, während der (Geld-)Adel weiter seine Feste feiert. 1789 scheiterten alle geplanten Reformen daran, dass sich der „Amtsadel“ in den Provinzen mit Händen und Füssen dagegen sträubte, auch nur ein wenig seiner Privilegien abzugeben. 2020 versanden die meisten Reformvorhaben in den Meandern von Politik und Verwaltung und das Land stellt sich als fast nicht reformierbar dar. 1789 stiegen die Brotpreise in Paris und der Provinz und das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. 2020 ist es nicht der Brotpreis, sondern, wie wir seit 2018 wissen, unter anderem der Benzinpreis an den Zapfsäulen. Und unter dem Strich bleibt das gleiche Leitmotiv – die sozial schwachen Schichten der Gesellschaft wollen mitreden, wenn über sie entschieden wird. Und das verweigerte sowohl Ludwig XVI. als auch Emmanuel Macron.

Natürlich wünschen wir Emmanuel Macron von Herzen, dass die Parallelen damit auch genug sind und er am Ende nicht das gleicher Schicksal erleben muss wie der „echte“ Monarch. Nichtsdestotrotz sollte dieser 14. Juli ein Tag sein, an dem die französische Regierung nicht nur überlegt, wie sie die Unzufriedenheit der Bevölkerung militärisch bekämpfen kann, sondern vor allem, mit welchen politischen Maßnahmen die ganze französische Bevölkerung wieder ins Boot geholt werden kann. Denn sollte das nicht schnell gelingen, steht Frankreich vor dem, was alle Regierungen der Welt fürchten – einem Klassenkampf auf der Straße. Und der, kurz unterbrochen von der Corona-Krise, hat in Frankreich bereits im November 2018 begonnen…

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