15.000 € Strafe und bis zu einem Jahr Gefängnis

Ab Anfang August will die französische Regierung Gäste in Restaurants, Cafés und Bars bestrafen, die ihren „Pass sanitaire“ nicht gescannt haben: 15.000 € Strafe und bis zu einem Jahr Gefängnis.

Die Proteste gegen die autoritäre Pariser Regierung werden kaum weniger werden. Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Wenn Parlamente bis in die frühen Morgenstunden tagen, kommt oft ziemlich seltsames Zeug dabei heraus. So votierten die französischen Abgeordneten in der Nacht zum Freitag im Zusammenhang mit einem neuen „Sanitär-Gesetz“ für den Änderungsvorschlag 274 des Abgeordneten Christophe Blanchet (MoDem). Dieser Änderungsvorschlag sieht vor, dass Gäste in Restaurants, Cafés oder Bars, die ihren „Pass sanitaire“ bei der Ankunft nicht „geflasht“ haben oder ein entsprechendes Gästeregister nicht oder nicht richtig ausgefüllt haben, künftig eine Strafe von bis zu 15.000 € (!) und bis zu einem Jahr Gefängnis (!) zu erwarten haben. Diese Änderung wurde in erster Lesung mit knapper Mehrheit mit den Stimmen von LREM und MoDem angenommen, allerdings ist noch völlig unklar, ob diese Regelung der Verfassungsprüfung standhält.

Statt die hoch angespannte Situation in Frankreich etwas zu beruhigen, gießen Parlament und Regierung immer mehr Öl ins Feuer. Statt denjenigen, die Zweifel an der aktuellen Impfstrategie haben, Antworten zu geben, reagiert der französische Staat autoritär und mit institutioneller Gewalt. Angesichts der Tatsache, dass inzwischen täglich (!) Demonstrationen gegen den „Pass sanitaire“ und die Zwangsimpfungen stattfinden, ist schwer nachzuvollziehen, warum die politischen Instanzen Frankreichs immer mehr die offene Konfrontation mit der eigenen Bevölkerung suchen.

Ein Jahr Gefängnis, weil ein Restaurantbesucher seinen QR-Code nicht geflasht hat? Für den MoDem-Abgeordneten Christophe Blanchet ist das kein Problem. Sein Argument: Dann tragen die Gastronomen nicht die alleinige Verantwortung für die Strafen, wenn in einem Restaurant ein Gast ohne gültigen „Pass sanitaire“ angetroffen wird. In einem solchen Fall werden nämlich für den Gastronomen 45.000 € Strafe und ebenfalls ein Jahr Gefängnis fällig. Doch kann man auf Dauer gegen sein eigenes Volk regieren und dieses mit repressiven Maßnahmen überziehen? Bekommt man in den Elfenbeintürmen der Pariser Politik überhaupt noch mit, wie es in Frankreich brodelt?

Anderthalb Jahre lang hat diese Regierung in der Pandemie völlig versagt, gelogen, falsche Versprechungen gemacht und dabei mit den Franzosen kommuniziert, als ob diese nicht zurechnungsfähig seien. Dies hat zu einem massiven Vertrauensverlust geführt, der mit dafür ausschlaggebend ist, dass weite Teile der französischen Gesellschaft heute nicht mehr bereit sind, blind den Anweisungen einer Regierung zu folgen, die seit anderthalb Jahren ein so erschreckend schwaches Bild abgibt.

Dass die Impfkampagne einer der zentralen Pfeiler in der Bekämpfung der Pandemie ist, keine Frage. Dass es zu dieser Kampagne und den Vakzinen unendlich viele Fragen gibt, auf die bis heute nicht geantwortet wurde, steht ebenfalls außer Frage. In einer solchen Situation statt auf Dialog auf diese unglaubliche Repression zu setzen, könnte ein Fehler sein, der das soziale Pulverfass Frankreich zum Explodieren bringen könnte.

Ein nicht gescannter QR-Code und ein Jahr Gefängnis, was gleichbedeutend mit der Zerstörung einer sozialen Existenz ist? Dem französischen Parlament ist jedes Augenmaß abhandengekommen und es sollte sich in Paris niemand wundern, dass dies zu einer heftigen Reaktion in der Bevölkerung führen wird. Der Autoritarismus, den Präsident Macron seit 2017 in Frankreich eingeführt hat, unter anderem mit einer Serie von Dekreten, mit denen individuelle Freiheiten und auch der Schutz personenbezogener Daten abgeschafft worden sind (Dekrete 2020-151 ff.), ist in der V. Französischen Republik bislang unbekannt.

Abgesehen von der Ungeheuerlichkeit dieser Regelung und abgesehen von ihrer Verfassungsmäßigkeit, die noch zu prüfen sein wird, zeigt dieser Änderungsvorschlag 274 das Selbstverständnis dieser Regierung und ihrer parlamentarischen Mehrheit. Bereits die ursprünglich angekündigten 135 € Strafe für das Nichtscannen des „Pass sanitaire“ hatten für Zähneknirschen gesorgt, sowohl bei den Gastronomen, die plötzlich Polizei spielen sollen, als auch bei den Franzosen, für die ein Restaurantbesuch oder ein Kaffee auf einer Terrasse ruckzuck zur Straftat werden können. Aber ein Jahr Gefängnis und 15.000 € Strafe?!

Womit rechnet das politische Paris denn jetzt? - Dass die Menschen weiter begeistert in die Restaurants strömen? Diese neue Regelung ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht der Franzosen, sondern vermutlich das Todesurteil für zahlreiche Gastronomen, die nach anderthalb Jahren der Zwangspause nun mit einem dramatischen Rückgang der Kundschaft rechnen müssen.

Die Antwort auf diese neue Ungeheuerlichkeit wird nicht etwa in der politischen Debatte gegeben werden, sondern sie wird auf der Straße erfolgen. Im Rahmen immer gewalttätigerer Demonstrationen. Aber das ist die Dimension, die Macron kennt und schätzt. Gegen Proteste kann man ja die Polizei ins Rennen schicken, um die Kritik an der Politik gewaltsam zu ersticken. Nur – das Protestpotential in Frankreich ist riesig und da nützt es auch nichts, dass die öffentlichen Stellen die Anzahl der Demonstranten klein rechnen. Die Auseinandersetzungen, die diese Regierung provoziert, wird nur Verlierer haben.

Dass ausgerechnet Frankreich, das Land der Erleuchtung, das Land der Menschenrechte, das Land der Freiheit zum „Ungarn Westeuropas“ wird, ist unglaublich. Mit dieser Strategie räumt man keine Zweifel an der aktuellen Impfstrategie aus, mit diesem autoritären Vorgehen ist das Vorhaben, eine „kollektive Immunität“ zu erreichen, zum Scheitern verurteilt. Abgesehen davon, dass man eine Pandemie nicht auf nationaler Ebene bekämpfen kann, ruiniert diese Regierung nachhaltig den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Konsequent ist diese Regierung eigentlich nur in einem Punkt – im Ignorieren der Stimme der Franzosen. Bei der jüngsten Regional- und Departementswahl, die mehr als 2/3 der Franzosen boykottiert haben, kam die Regierungspartei LREM gerade mal auf 9% der abgegebenen Stimmen und lag damit sogar hinter der bereits totgesagten PS. Seltsam, dass diese „Klatsche“ bei den Regierenden in Paris lediglich zu einem „weiter so!“ und einem weiteren Ausbau eines autoritären Systems geführt hat.

Bereits am heutigen Samstag wird man sehen, wie begeistert die Franzosen von ihrer Regierung sind. Das werden nämlich erneut Hunderttausende aus den Straßen Frankreichs zum Ausdruck bringen. Das Bitterste dabei ist allerdings, dass dieser Autoritarismus dazu führt, dass immer mehr Impfzweifler zu Impfgegnern werden und die Impfkampagne damit immer weniger Chancen hat, zum Ziel zu führen.

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