(2) Ist das Verpackung oder kann das weg?

Es waren nur sechzehn Tage, dann war die Kunst schon wieder weg. Oder ist sie jetzt wieder da? Ist die Verpackung die Kunst oder das Verpackte unter der Verpackung? Oder beides zugleich? Mit fünf Fotos auf der Spur des Ewigen im Vergänglichen.

Der Blick von Norden aus der Avenue de Wagram offenbart die Schattenpartie des Kunstwerks vom Kunstwerk auf der Verkehrsinsel. Foto: © Michael Magercord

(Michael Magercord) – Christo und Jeanne-Claude verfolgten dieses Projekt seit 1962, nun wurde es wahr. Und? Die Künstler haben immer gesagt, ihre Werke hätten nichts zu bedeuten, seien flüchtige Erscheinungen, gedacht nur für den Augenblick ihrer Anschauung. Aber genügt das dem Betrachter? Rührt sich da in ihm nicht der Wunsch nach dem Ewigen im Flüchtigen, dem Festhalten des Momentes. Was tun? Noch ein Foto machen und dann die Bilder laufen lassen – der Schattenblick.

Na also, geht doch! Im Schatten, da wird’s ein riesiger Elefant, der einem Monster gleich sich in Bewegung setzen wird. Hopp! hopp! auf die Straße und dann mit einem Schritt über die Autoschlange hinweg und die Stadt in Aufruhr versetzen. Stampf mit deinen kolossalen Füßen nur einmal richtig auf, schon erzittert unsere ach so schöne Welt unter deinem Gewicht und die stolzen Autos werden alle platt wie Flundern sein. Nix wie weg, bevor du deiner Kraft gewahr wirst…

Zugegeben, es ist natürlich nur meine wüste Phantasie, die aus dem verpackten Triumphbogen ein Untier macht. Obwohl auch der Künstler davon sprach, dass ein Monument durch die Verpackung „ein lebendes Objekt werden würde, das im Wind lebendig wird und das Licht reflektiert, die Falten werden sich bewegen, die Oberfläche des Denkmals wird sinnlich”. So hat die Verpackung den Triumphbogen nicht nur verkleinert, sondern – oh Schreck! – auch noch in Bewegung versetzt.

Allerdings lösten sich die düsteren Gedanken nur im rechten Licht, nämlich im Schatten beim Blick auf die Nordseite, und dann noch bei Windstille. Und klar, der Block blieb brav auf seiner Verkehrsinsel stehen. Und trotzdem: Aus meiner Mäuseperspektive ließ sich der Elefant im Stadtraum kurz aufschrecken. Denn ist es nicht auch wahr, dass sich die monumentalen Bauten auf ihre Weise verselbstständigen? Die, die einstmals voller Taten- und Ruhmesdrang errichtet wurden, überliefern nun immer noch ihre Botschaft, ob die heute noch passend ist oder nicht. So manches Mal weiß man gar nicht mehr so recht, wozu diese Monstren eigentlich noch dastehen und trotzdem sind sie nicht mehr wegzudenken.

Man spricht wohl doch nicht umsonst von einem Elefanten im Raum, seit Dostojewski diese alte russische Wendung in seinem Roman „Die Dämonen“ verwendete. Nun steht der Dickhäuter für eine offensichtliche Unzeitlichkeit, die aber aus Sorge vor der Dünnhäutigkeit der Zeitgenossen niemand wagt, offen als solche zu benennen. Und klar, dieser Koloss des Taten- und Ruhmesdrang mitten auf der Verkehrsinsel scheint heutzutage doch ziemlich aus der Zeit gefall… aber: psst!, nicht so laut und deutlich, denn man könnte ihn jederzeit wieder erwecken, den unbändigen und so oft auch unheilvollen Taten- und Ruhmesdrang, den er rühmt.

Besser dem Denkmal seinen Tribut zollen, ihm ein Opfer darbringen, damit sie nicht doch nicht auferstehen, die Dämonen des Taten- und Ruhmesdrang. Wenn man ihn schon nicht loswird, den Elefanten im Stadtraum, sollte man ihm ein wenig Aufmerksamkeit und Anerkennung schenken – und sei es, indem man ihn verpackt…

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