Europa bleibt in der Krise: Entschuldigung!

Europa kommt in nächster Zeit aus dem Tief nicht heraus. Woher ich das weiß? Es liegt an mir. Über mir lastet ein Fluch. Seit ich Besitzer meines – mittlerweile – etwas altertümlichen Presseausweises bin, gedeiht oder verdirbt jede Institution entsprechend ihres Umgangs damit.

Ja, das waren noch Zeiten, als unser Redakteur Michael Magercord Zugang zum Europaparlament hatte... Foto: Mediacenter Europäisches Parlament

(Von Michael Magercord) – Europa, und vorneweg das Europäische Parlament, schlittert immer tiefer in die Krise. Das tut mir sehr leid und ich möchte mit bei allen aufrechten Europäern und Europäerinnen dafür entschuldigen. Denn daran bin ich schuld: An mir haftet nämlich ein Fluch. Und es ist ein böser.

Über die Jahre meiner Tätigkeit, in der auch mein Presseausweis in die selbigen kam, musste ich feststellen, dass ich etwas von einer Kassandra an mir habe. Das war die, die immer alles negativ sieht. Und weil keiner hinhört, kommt es dann ganz besonders dicke. Bei mir liegt der Fall etwas anders, denn ich bin eine Kassandra über Umwege und nicht aus mir selbst heraus. Doch um das ganze Drama, dem Europa nun ausgesetzt wird, klarzumachen, muss ich ein wenig ausholen.

Alle eifrigen Leser wissen ja, dass – wenn man mich lässt, also seit über vier Jahren – ich nach fast jeder Sitzungswoche des Parlamentes in Straßburg einen mehr oder weniger gelungenen Artikel über eine mehr oder weniger wichtige Aktivität im Europäischen Parlament verfasst hatte. Da saß ich entweder im Sitzungssaal, machte Notizen, oder fragte auf Pressekonferenzen nach, egal ob seinerzeit Daniel Cohn-Bendit, den diesjährigen Friedensnobelpreisträger Dr. Mukwege und auch so jemanden wie Marine Le Pen, oder jüngst den Kommissionspräsidenten in spé Manfred Weber. Die Berichte davon haben natürlich so gar nichts von einer Kassandra, im Gegenteil: selbst wenn sie kritisch waren, so waren sie das nur, weil mir der Gegenstand – Europa – am Herzen liegt.

Doch mit den Berichten ist es nun vorbei. Vorerst zumindest. Gestern wurde mir zum ersten Mal seit fünf Jahren der Zugang zum Parlament verwehrt. Der Grund: es gab einen Wechsel in der Führung der Presseabteilung des Parlamentes. Der altgediente Beamte, der diesen Posten zuvor innehatte, ließ mich gewähren, der neue nicht. Der gute Mann, und die Betonung liegt auf „gut“, ist sehr nett, ja, sehr gewissenhaft, und eben auch ein bisschen ängstlich. Darf ein junger Beamter die Bestimmung auch einmal Bestimmung sein lassen? Oder sie etwas großzügiger auslegen? Da die Unsicherheit nun einmal die Stiefschwester der Gewissenhaftigkeit ist, meint er, das nicht zu dürfen.

Daraus kann ihm niemand einen Vorwurf machen. Ich schon gar nicht. Und trotzdem möchte ich jetzt nicht in seiner Haut stecken. Diese Verantwortung! Was er sich da aufgeladen hat! Der gute, aber auch arme Mann. Denn wie gesagt, es lastet ein Fluch auf mir. Ich kann nichts dafür, aber immer, wenn eine Institution, ein Verein oder eine Organisation mir plötzlich keinen Zutritt mehr als Pressevertreter gewährt hatte, musste diese eine tiefe Krise durchschreiten. Ich will das gar nicht, aber es geschieht einfach.

Drei erschreckende Beispiele aus meinem langjährigen Tätigkeitsort Prag sollen die Wirkung des Fluchs vor Augen führen: Sparta Prag, einst das Bayern München Böhmens, schloss mich plötzlich von Spielen in der Champions League aus, seither sind die nie wieder Meister geworden. Slavia Prag brauchte fast zehn Jahre, um sich davon zu erholen, mir Pressekarten verweigert zu haben. Erst jetzt, wo ich nicht mehr vor Ort bin, berappeln sich der Verein wieder. Aber nicht nur den Sport, auch die Kultur erwischt der Fluch: Das Musikfestival Prager Herbst lief, nachdem sich der Veranstalter mir verweigert hatte, nur noch eine Saison, dann wurde es komplett eingestellt.

In Straßburg lebte ich bisher sorgenfrei, hier wurde ich immer gut behandelt. Ob vom Sport, der Kultur oder eben auch von den politischen Großinstitutionen, die in der Stadt ansässig sind. Und so mancher aufmerksame Leser wusste das – hoffentlich – zu schätzen. So musste ich bisher auch keine Sorge vor der Wirkung meines Fluches haben, ja, ich konnte mir einbilden, er hätte sich endgültig von mir gelöst.

Bis gestern. Bis zur ersten Abweisung durch das Europaparlament. Ausgerechnet so kurz vor den richtungsweisenden Wahlen! Was da nun auf uns alle zukommen wird, dafür muss ich mich eigentlich schon jetzt entschuldigen. Wie gesagt, ich will das ja gar nicht. Und wer weiß, vielleicht werden wir alle doch noch glimpflich davon kommen. Es bleiben zwar noch einige Monate, dies für alle Beteiligten gütlich zu regeln. Allerdings nur bis April, der letzten Straßburger Sitzungswoche des Europäischen Parlamentes vor dem Wahlgang. Wie immer in Europa: die Zeit drängt! Kassandra lässt schon mal grüßen…

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