2:30 Uhr – Angela Merkel wirft das Handtuch

Die Bundeskanzlerin wollte eine härtere Linie in der Bekämpfung des Virus durchsetzen und – ist an den mächtigen Ministerpräsidenten gescheitert.

Angela Merkel konnte sich nicht gegen die mächtigen Ministerpräsidenten durchsetzen... Foto: Sandro Halank / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – „Wir entscheiden gerade, dass wir das umsetzen, was wir das letzte Mal bereits entschieden hatten“, klagte Angela Merkel während einer der vielen Unterbrechungen der 15 Stunden dauernden Verhandlungen per Videokonferenz mit den Ministerpräsidenten. Und in der Tat, das Ergebnis dieser langen Verhandlungen ist mehr als dürftig und wird kaum dazu beitragen, das Virusgeschehen in Deutschland besser in den Griff zu bekommen. Der deutsche Förderalismus stößt immer häufiger an seine Grenzen.

Die Ergebnisse dieses bis 2:30 Uhr morgens dauernden Verhandlungs-Marathons sind schnell zusammengefasst. Der aktuelle „Lockdown light“ wird bis zum 18. April verlängert und die einzige Überraschung ist eine „Ruhephase“, die vom 1. bis zum 6. April dauern wird, also rund um die Ostertage, in denen das Leben in Deutschland auf null heruntergefahren werden soll. Lediglich am Ostersamstag sollen Lebensmittelgeschäfte öffnen dürfen, ansonsten ist in diesen Tagen völlige Funkstille, die Leute sollen zuhause bleiben.

Zu Themen wie „Urlaub über Ostern“ haben auch 15 Stunden nicht gereicht, um eine einheitliche Linie zu finden. Dabei ist nicht das Problem, dass die Ministerpräsidenten der klassischen Urlaubs-Bundesländer an den Küsten und in den Mittelgebirgen gerne hätten, dass Urlauber wenigstens in Ferienwohnungen oder auf Campingplätzen als Selbstversorger urlauben, was momentan nicht gestattet ist, sondern dass auf der anderen Seite Urlaub auf Mallorca erlaubt wurde, nur um dann die „Empfehlung“ auszusprechen, doch lieber nicht dorthin zu fliegen. Diese „Empfehlung“ kam etwas spät – Eurowings hat bereits 300 zusätzliche Flüge auf den Ballermann organisiert (und die Sitze in Rekordgeschwindigkeit verkauft). Da mutet die Empfehlung nicht zu reisen ziemlich seltsam an, wie der Satz „Ihr dürft nach Mallorca fliegen – aber tut es bitte nicht“. Es wäre wohl deutlich sinnvoller gewesen, hätte man diese Auslandsreisen von vornherein in der aktuellen Lage verboten.

Die Vorstellung, dass eine sechstägige „Ruhephase“ die Ausbreitung des Virus und seiner Varianten ernsthaft einschränken könnte, ist abenteuerlich. Würden sechs Tage reichen, dann müsste man sich die Frage stellen, warum wir seit einem Jahr unglaubliche Einschränkungen und die Verwüstung der Wirtschaft, des Gesundheitssystems und des sozialen Zusammenhalts erdulden, wo man doch entscheidende Schritte in nur sechs Tagen absolvieren könnte.

Die nachts um 3 verkündeten „Ergebnisse“ fühlen sich so an, als habe Angela Merkel das Heft des Handelns verloren. Diejenigen, die Entscheidungen treffen, sind die Ministerpräsidenten, die 16 verschiedene Vorstellungen haben und vor allem die Macht, das umzusetzen, was sie wollen. Dadurch ist Deutschland zu einer Art Patchwork der Vorschriften, Strategien und Maßnahmen geworden, die so inkohärent sind, dass sie gar keinen Erfolg haben können.

Die einzigen „Strategien“, von denen seit Wochen und Monaten geredet wird, nämlich die Impfungen und eine umfangreiche Test-Strategie, funktionieren nicht richtig. Es gibt weder ausreichend Vakzine, noch Schnelltests. Die Ankündigungen, wann diese Strategien richtig Fahrt aufnehmen sollen, klingen eher nach „schaun mer mal“ – die Verantwortlichen sprechen von „Mitte April oder Mitte Mai“ als Zeitpunkt, zu dem die Impfdosen und Schnelltests endlich verfügbar sein sollen. Vorausgesetzt, dass alles reibungslos läuft. Allerdings ist bisher nichts reibungslos gelaufen und die Hoffnung, dass nun alles rund läuft, ist, gelinde gesagt, sehr optimistisch.

Von „europäischen Lösungen“ sprich inzwischen niemand mehr. Seit über einem Jahr versuchen alle Regierungen, auf nationaler Ebene Lösungswege gegen eine grenzüberschreitende Pandemie zu finden. Dies kann, per Definition, nicht funktionieren und – es funktioniert auch nicht. Wäre es nicht Zeit, nach diesem Jahr des erfolglosen Trial-and-Error die Strategie zu ändern und von einer regionalen und teilweise sogar lokalen „Guerilla“ gegen das Virus in einen kontinentalen und in der Folge weltweiten Kampf gegen das Virus umzuschwenken? Das, was momentan in Deutschland und Frankreich unternommen wird, hat mit einem aussichtsreichen Kampf gegen das Virus nichts mehr zu tun.

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