26. Geburtstag. Wie wäre es, wenn wir jetzt mal alles richtig machen?

Am heutigen 3. Oktober feiern wir in Deutschland die „Wiedervereinigung“ – am 26. Geburtstag der Bundesrepublik Deutschland in den heutigen Grenzen könnte man einiges besser machen.

Helmstedt - verschränkte Hände statt Grenzanlagen - aber es müssen noch viele Fortschritte gemacht werden. Foto: AxelHH / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Ah, langes Wochenende, Montag ist Feiertag! Klasse! Und da Feiertag ist, werden wir heute nach Frankreich zum Einkaufen und Bummeln fahren, den Goldenen Oktober bei unseren Nachbarn genießen und uns relativ wenige Fragen stellen, warum wir eigentlich frei haben. Denn während sich alle an den 9. November 1989 und den Fall der Mauer erinnern, war der eigentliche Akt der Eingliederung der neuen Bundesländer in die Bundesrepublik Deutschland ein Festakt, der deutlich weniger emotional war. Aber ein wenig Nachdenken könnte an diesem Tag auch nicht schaden.

Denn das, was in Deutschland gerade passiert, ist alles andere als ein Grund zum Feiern. Die Gräben zwischen Ost und West bestehen immer noch und das allgemeine Klima der Verunsicherung angesichts einer sich schnell verändernden Welt sorgt dafür, dass die Extremisten wieder aus ihren Löchern gekrochen kommen und laut davon träumen, dass Begriffe wie „völkisch“ wieder positiv besetzt werden.

Damit hatte vermutlich niemand am 3. Oktober 1990 im ehemaligen Bonner Wasserwerk, das als ewig provisorischer Sitzungssaal des Bundestags diente, niemand gerechnet. Im Gegenteil, allen damals Beteiligten war die historische Tragweite dieser Sitzung bewusst und es herrschte eine positive Aufbruchsstimmung, die nichts und niemand trüben konnte. Man träumte von „blühenden Landschaften“, von einem gerechten Deutschland im Herzen Europas, einem so ganz anderen Deutschland, einem friedlichen Deutschland.

Doch die Realitäten 2016 sehen leider ganz anders aus. Die Rechtsextremisten, die heute Dinge Positionen vertreten können, für die man vor 10 Jahren sofort von der politischen Bildfläche verschwunden wäre, haben einen beunruhigenden Zulauf, die „blühenden Landschaften“ im Osten Deutschlands sind Ruinen aus der DDR-Zeit, in denen sich eine alternde Bevölkerung vor allem mit Zukunftssorgen herumschlagen muss und Deutschland ist nicht etwa der friedliche Garant europäischer und humanistischer Werte geworden, sondern führt eine Art Wirtschaftskrieg gegen die anderen europäischen Länder und ist als einer der größten Waffenexporteure der Welt zumindest indirekt an praktisch allen Konflikten der Welt beteiligt.

Muss das alles sein? Muss es sein, dass Deutschland schon wieder versucht, dem Rest Europas klarzumachen, dass dieser „am deutschen Wesen gesunden“ soll? Müssen wir ständig anderen Lektionen erteilen, während in unserem eigenen Land knapp 20 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze vor sich hin vegetieren? Müssen wir wirklich zusehen, wie sich die humanistischen Werte, an die wir so gerne glauben wollen, einmal mehr in nationalen Egoismus und die Aggression gegen Dritte verwandeln?

Bevor wir den 27. Geburtstag dieses jungen Deutschlands am 3. Oktober 2017 feiern, stehen wichtige Wahlen an, bei denen wir alle zusammen entscheiden, wie es mit unserer Politik weitergehen soll. Diese Gelegenheit der politischen Rahmengestaltung dürfen wir uns nicht entgehen lassen – und sollten unser Wahlverhalten überdenken. Wer heute für „Kontinuität“ steht, der meint damit, dass alles so schlecht weitergehen soll wie bisher. Wer für nationalistische und „völkische“ Werte stimmt, der beweist, dass er im Geschichtsunterricht gefehlt und nichts aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat. Doch wird es 2017 politische Alternativen geben, die sich Mühe geben werden, im Sinne eines geeinten Europas, einer sozialen und solidarischen Gesellschaft und für humanistische Werte zu arbeiten und diesen Kräften sollte man seine Stimme anvertrauen. Es ist an der Zeit, dass aus dem „hässlichen Deutschland“ das „neue Deutschland“ wird, ein Deutschland, das respektvoll und solidarisch gemeinsam mit den anderen europäischen Ländern für echte Werte eintritt.

Genießen Sie also den heutigen Feiertag und gönnen Sie sich den Luxus, nicht nur einen schönen Tag zu verbringen, sondern auch ein wenig nachzudenken. Dann könnte der 3. Oktober 2017 noch viel schöner werden…

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