3,5 % – die erstaunlich niedrige Schweizer Inflationsrate

Während im Euroraum die Inflationsrate inzwischen über 9 % liegt, bleibt die Teuerungsrate in der Schweiz mit 3,5 % relativ stabil. Was ist das Geheimnis der Eidgenossen?

Inflation - alles idyllisch in der Schweiz? Naturlich nicht, aber etliche Ansätze könnten als Beispiel für die EU dienen. Foto: Matias Senger / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(Karl-Friedrich Bopp) – Da ist zunächst die Kaufkraft des Schweizer Frankens. Durch geschicktes Agieren der schweizerischen Nationalbank braucht man inzwischen weniger als einen Schweizer Franken, um einen Euro zu kaufen. Das senkt die Preise für importierte Güter. In den heutigen unsicheren Zeiten ist die Flucht in die Schweizer Währung ein verständlicher Reflex, was sie gegenüber dem Euro aufwerten lässt.

Dann sind da natürlich die Energiepreise. Während sie zum Beispiel in Deutschland um 22 % gestiegen sind, wurde der Strom in der Schweiz mit etwas mehr als 3 % nur geringfügig teurer. Das liegt zum einen an der großen Anzahl von Wasserkraftwerken im Alpenland und dann an den im Land funktionierenden Atomkraftwerken.

So musste die Schweiz zum Beispiel in diesem Sommer keinen Strom importieren. Folge: Die Schweiz spürte die aktuellen Turbulenzen des weltweiten Energiemarktes überhaupt nicht. Erst im kommenden Winter muss die Schweiz wahrscheinlich wieder Strom importieren. Selbst wenn der Preis dann europäisches Niveau erreichen wird, merkt es der Verbraucher nicht sofort, da die Strompreise in der Regel nur einmal im Jahr angepasst werden dürfen.

Auch bei den Lebensmittelpreisen gibt es eine schweizerische Besonderheit. Importierte Artikel werden mit einem Zoll belegt, damit sie die Preise aus heimischer Produktion erreichen. Steigen die Preise der ausländischen Produkte, wird der Zoll gesenkt. Die Endverbraucherpreise bleiben stabil. Im Warenkorb erreichen die Lebensmittelpreise in der Schweiz dadurch lediglich 11,5 %, während sie im Euroraum bei 15 % liegen.

Sogar die hohen Arbeitskosten sprechen für die Schweiz. Bei einem Schweizer Bauernbrot ist der Anteil der Arbeitskosten des Bäckers im europäischen Vergleich höher als das dafür notwendige Mehl. Allerdings, der Anteil der Arbeitskosten des Bäckers wird durch die weltweite Inflation nicht beeinflusst.

Also alles ideal in der Schweiz? Nicht ganz. In Krisenzeiten sind die Preise in der Tat stabiler, sonst ist das Preisniveau allerdings immer höher. Allgemein gilt: Für Lebensmittel, die in den europäischen Nachbarländern 10 Euro kosten, müssen in der Schweiz 18 Euro bezahlt werden. Nur kann heute irgendjemand vorhersagen, wann die nächste krisenfreie Periode beginnt?

Vor diesem Hintergrund sollte die Europäische Union vielleicht versuchen, sich von dem Schweizer Modell inspirieren zu lassen, das sich wie folgt zusammenfassen lässt: relative Energieunabhängigkeit, erhöhte (faire) Arbeitskosten und eine Dosis Protektionismus. Ran an die Arbeit!

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