3G in Zügen – ein heikles Thema

Ab heute wird zwar der Zugverkehr bestreikt, doch ist die Diskussion ab Dienstag wieder hochaktuell: Soll in Zügen die 3G-Regel zur Anwendung kommen?

Kann man sich in Zügen besonders leicht oder praktisch gar nicht infizieren? Das weiss niemand so genau... Foto: Jivee Blau / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – An der Frage, ob Zugfahren künftig nur noch Menschen im 3G-Schema (geimpft, genesen, getestet) gestattet werden soll, scheiden sich die Geister. Selbst in der Bundesregierung gibt es zu dieser Frage keine einheitliche Meinung. Kanzlerin Angela Merkel hält eine solche Regelung für „sinnvoll und machbar“, aber aus den zuständigen Ministerien kommt die Ansage, dass man nicht einmal weiß, ob Züge ein Ort sind, an dem sich Menschen leicht anstecken können oder nicht. Und einmal mehr zeigt sich, dass wir eigentlich kaum etwas über dieses Virus wissen.

Niemand weiß wirklich, wo genau sich Menschen mit dem Virus infizieren. Laut Robert-Koch-Institut wird in den Krankenakten nur in einem von zehn Fällen ein Verdacht notiert, wo sich der Patient möglicherweise infiziert hat. Insofern ist es schlicht unmöglich zu behaupten, dass man sich in Zügen besonders häufig oder im Gegenteil, besonders selten ansteckt. Da ist es schon ganz schön mutig, wenn das Bundesgesundheitsministerium am Montag behauptet, dass nur wenige Infektionen der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zugeordnet werden können.

Mit ihrer Ansicht, dass ein 3G-Schema im Bahnverkehr „sinnvoll und machbar“ sei, steht Angela Merkel ziemlich alleine da. Aus den Ministerien für Gesundheit, Verkehr und Inneres kommen ganz andere Töne. Die Gegenargumente reichen von „in Zügen stecken sich unterdurchschnittlich wenige Menschen an“ (Gesundheitsministerium) bis „in der Praxis nicht realisierbar“ (Innenministerium) und in der Tat, es ist schwierig, sich die praktische Anwendung des 3G-Schemas im Bahnverkehr vorzustellen. Sollen künftig alle Bahnreisenden einen „sanitären Pass“ wie in Frankreich vorweisen? Wer soll das kontrollieren? Polizisten oder Sicherheitsbeamte auf den Bahnsteigen? Die Kontrolleure in den Zügen? Und – wer bezahlt für einen solchen Kontroll-Aufwand?

Die kontroverse Diskussion um „3G in Zügen“ zeigt aber vor allem einmal mehr auf, wie wenig wir eigentlich über dieses Virus und seine Varianten wissen. Nach fast 20 Monaten der Pandemie kennen wir weder den Ursprung des Virus, noch verstehen wir sein Mutationsverhalten, wir wissen nicht, warum die Vakzine nur unzureichend funktionieren (so dass dritte, vierte und x weitere Dosen verabreicht werden sollen), wir haben keine Ahnung, wo und wie sich Menschen anstecken, wir verstehen nicht, warum bestimmte Varianten eher ältere, andere aber überwiegend junge Menschen betreffen – und in dieser allgemeinen Unkenntnis über fast jeden Aspekt dieser Pandemie wachsen täglich die Zweifel über Sinn und Zweck der unendlich vielen Maßnahmen, die getroffen und zu allem Überfluss auch noch lokal und regional individuell ausgestaltet und ständig geändert werden.

In diesem Zusammenhang muss noch einmal darauf hingewiesen werden, dass am 11. Oktober die Tests in Deutschland kostenpflichtig werden sollen. Natürlich zielt dies darauf ab, möglichst viele Menschen zur Impfung zu bewegen, obwohl klar ist, dass die Impfungen nur ein Pfeiler in der Pandemie-Bekämpfung sein können, aber keineswegs der „Königsweg“, der uns aus der Pandemie führt.

Die Tests sind das sicherste Mittel für eine Momentaufnahme. Eine aktuell negativ getestete Person stellt eine deutlich geringere Gefahr dar als eine Person, die vor Wochen oder Monaten geimpft wurde, seitdem aber eben nicht mehr getestet wurde, da man davon ausgeht, dass geimpfte Personen „sicher“ seien. Da aber klar ist, dass auch geimpfte Personen das Virus einfangen und weitergeben können, ist eine aktuell getestete Person deutlich weniger „gefährlich“ als eine geimpfte, aber nicht aktuell getestete Person.

Es ist erstaunlich, mit welcher Überzeugung auf politischer Ebene Maßnahmen getroffen werden, obwohl wir auch nach 20 Monaten praktisch nichts über dieses Virus wissen. Statt im Wahlkampf hektisch politische Maßnahmen zu verhängen, sollte man vielleicht eher der Wissenschaft das Heft des Handelns übergeben, wobei sehr darauf zu achten ist, welchen Wissenschaftlern man in dieser Situation vertraut. So stellte sich in Frankreich heraus, dass sämtliche Mitglieder des „Conseil sanitaire“, einem Gremium führender Wissenschaftler, das den Präsidenten beriet, Beraterverträge mit Pharmafirmen hatten, was ihre Unabhängigkeit mehr als in Frage stellte.

So schwierig die Situation auch ist, in der aktuellen Situation muss die Forschung an Ursachen, Verhalten und Wirkung des Virus intensiviert werden, es müssen mehr Mittel in die Entwicklung von Therapien gesteckt und endlich die Patente für Impfstoffe freigegeben werden. Es sei denn, man hat bereits akzeptiert, dass sich diese Pandemie für immer auf der Welt breitgemacht hat.

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