60 Jahre Elysee-Vertrag

Heute vor genau 60 Jahren unterzeichneten Charles de Gaulle und Konrad Adenauer den „Elysee-Vertrag“, der nicht nur den Frieden wiederherstellte, sondern die Grundlage für die heutigen deutsch-französischen Beziehungen legte.

22. Januar 1963 - Konrad Adenauer und Charles de Gaulle unterzeichnen den Elysee-Vertrag. Foto: Bundesarchiv, B 145 Bild-P106816 / Unknown author / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Heute ist in der deutsch-französischen Grenzregion und den beiden Hauptstädten Paris und Berlin Jubelstimmung. 60 Jahre Elysee-Vertrag, ein Grund zum Feiern! Wirklich? Sind die deutsch-französischen Beziehungen im Januar 2023 ein Grund zum Feiern? Die Antwort ist eindeutig: Ja und Nein…

In der deutsch-französischen Grenzregion, die sich über rund 200 Kilometer von der Saar bis ans Rheinknie bei Basel erstreckt, erlebt man die deutsch-französische Zusammenarbeit und Freundschaft natürlich ganz anders als in Limoges oder Bielefeld. Und siehe da, dort, wo sich die Menschen direkt begegnen, wo sie einen gemeinsamen Lebensraum entwickeln, funktioniert die deutsch-französische Zusammenarbeit sehr gut. Schwierig wird es dann, wenn sich die Politik einmischt und wo nach wie vor viele nationale Regeln verhindern, dass sich diese Zusammenarbeit zu einer weitergehenden Integration entwickelt, wie es vor einigen Jahren die damalige saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer mit der „Frankreich-Strategie“ erreichen wollte.

Aber woran liegt es, dass sich die Beziehungen zwischen Berlin und Paris so verschlechtert haben? Dies hat mehrere Gründe. Zum einen haben beide Länder momentan grundlegend unterschiedliche Interessen und das in fast allen wichtigen Themenbereichen. Energie, Verteidigung, Soziales – hier gibt es kaum Übereinstimmungen. Beide Länder gehen ihren eigenen Weg und finden nicht einmal mehr auf europäischer Ebene als „Motor Europas“ zusammen. Dazu gibt es sicher auch persönliche Gründe. Präsident Macron und Bundeskanzler Scholz sind alles andere als kompatibel, was bereits mit Scholz’ Vorgängerin Angela Merkel der Fall war. Seltsamerweise und trotz aller Gräben zwischen den beiden, wurde 2019, sinnigerweise auch am 22. Januar, der Aachener Vertrag von Macron und Merkel unterzeichnet, eine Art Erweiterung des Elysee-Vertrags, der viel mehr Möglichkeiten bietet als sein Vorgänger, doch muss man feststellen, dass die vielen Möglichkeiten dieses Vertrags bisher praktisch nicht genutzt werden.

Heute wird überall gejubelt werden, es wird Sondersendungen im regionalen Fernsehen geben, bei denen sich die Verantwortlichen selbst und gegenseitig auf die Schulter klopfen werden, was ja auch viel netter klingt als das Eingeständnis, dass die deutsch-französischen Beziehungen auf politischer Ebene gerade fast am Nullpunkt sind.

Und so bleibt die Zukunft der deutsch-französischen Beziehungen eine Angelegenheit der Menschen vor Ort, die auf beiden Ufern des Rheins (und der Saar) zusammen leben, arbeiten und viel von ihrer Freizeit miteinander verbringen. Diese Menschen dürfen in der Tat heute feiern, denn für sie ist die deutsch-französische Freundschaft kein Slogan, den man gelegentlich in Wahlkämpfen hervorholt, der aber ansonsten in Berlin und Paris nicht viel bedeutet.

Und auch, wenn das die heutige Jubelstimmung etwas schmälern sollte, so muss man festhalten, dass wir heute eben keinen Charles de Gaulle und keinen Konrad Adenauer haben, Politiker, die europäische und deutsch-französische Visionen hatten, die nicht nur an den nächsten Wahltermin dachten, sondern alles daran setzten, das Trauma von zwei Weltkriegen zu überwinden, was ja auch gelang.

Heute verfügen wir über Instrumente in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, mit denen fast alles möglich ist, was man erreichen möchte. Die lokale und regionale Politik sollte nicht auf Paris und Berlin warten, um vor Ort Tatsachen zu schaffen, wie es beispielsweise mit der Integration des Arbeits- und Ausbildungsmarkts am Oberrhein hervorragend gelungen ist.

Die deutsch-französische Zusammenarbeit und Freundschaft haben eine Zukunft. Doch muss diese Zukunft erarbeitet und geschaffen werden, und das passiert nicht von selbst. So kann man sich zu diesem 60. Jahrestag des Elysee-Vertrags, der Mutter aller deutsch-französischen Verträge, nur wünschen, dass unsere lokale und regional Verantwortlichen mehr Mut, mehr Tatkraft und mehr Perspektiven entwickeln und an den Tag legen und sich nicht darauf beschränken, schöne Reden zu Anlässen wie dem heutigen 22. Januar 2023 zu halten.

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