Abenteuerurlaub 2014 – heute: Der Oberrhein

Wer richtig was erleben will, braucht keine exotischen Reiseziele. Ein Tag in Frankreich, wenn die SNCF mal wieder streikt, reicht völlig aus.

Statt sich unnötig aufzuregen, spielen die Franzosen begeistert bei der SNCF-Schnitzeljagd mit. Foto: Dalbera, Paris, France / WIkimedia Commons

(PM) – Früher musste man weit weg fahren, um Abenteuerurlaub zu machen. In die Sahara mit einer klapprigen Ente, zur Fotosafari in Nationalparks, zum Klettern in den Himalaja, nachts betrunken durch den Central Park stromern – da war Adrenalin pur angesagt. Heute geht es weitaus kostengünstiger. Nämlich an Streiktagen der SNCF in Frankreich.

Klar ist man genervt, wenn man für die Strecke Colmar – Freiburg weit über fünf Stunden benötigt, das Thermometer über 30 Grad anzeigt und man so verschwitzt ist, dass das Handy am Ohr streikt. Doch sollte man gerade in so einer Situation nicht den Blick fürs Wesentliche verlieren. Denn die SNCF gibt sich mächtig Mühe, die Wartezeit für die Reisenden so kurzweilig wie möglich zu gestalten.

Zum Beispiel mit der netten Schnitzeljagd, die gestern von Mitarbeitern der SNCF im Bahnhof Mulhouse veranstaltet wurde. Die Spielregeln sind ziemlich einfach. Die SNCF verkleidet ein paar Mitarbeiter mit Uniformen und die Reisenden müssen versuchen, über diese Gameleader herauszufinden, ob, wann und wo noch ein Zug fährt oder ob, wann und wo ein Ersatzbus bereit gestellt wird. Das Witzige dabei ist, dass jeweils zwei von drei dieser Gameleader entweder keine Ahnung haben oder ungeniert lügen. Nur jeder dritte Uniformträger sagt tatsächlich die Wahrheit UND hat Ahnung. Nun ist es an den Reisenden, durch geschicktes Fragen herauszufinden, wer lügt und wer die Wahrheit sagt und gewonnen hat am Ende jeder, der es wider Erwarten doch noch nach Hause schafft.

Fairerweise darf getrickst werden. Auf beiden Seiten. Nach einigen schlau geführten Fragerunden stellte sich heraus, dass statt des bestreikten Zuges ein Ersatzbus geplant sei. Und das schon 150 Minuten später. Das bedeutet, dass man zweieinhalb Stunden Zeit hat, eine Fahrkarte Mulhouse – Müllheim (Baden) zu lösen. Am Automaten ziehen? Fehlanzeige. Müllheim gibt es nicht. Am Schalter kaufen? Das wäre zu einfach – die Schalter sind aufgrund des Streiks alle geschlossen. Was tun?

Einfach – die Prioritäten ändern. Das Fahrkartenproblem wird auf später verschoben. Jetzt erst einmal herausfinden, wann, ob und wo dieser Ersatzbus fährt. Hier wird es schwierig für Anfänger. Denn wenn zwei SNCF-Mitspieler in Uniform Stein und Bein schwören, dass kein Bus nach Müllheim fährt, obwohl dieser tatsächlich auf allen Bildschirmen in der Bahnhofshalle steht, dann braucht man schon gute Nerven, um die Lügner zu überführen. „Einen Bus nach Müllheim? Gibt’s nicht, hat’s noch nie gegeben. Da müssen Sie den Zug nehmen.“ – „Es fährt aber kein Zug.“ – „Dann haben Sie Pech gehabt.“ – „Aber der Bus hat die Nummer 10016.“ Treffer, versenkt. Der Lügner dreht sich um und geht weg.

Man darf aber auch Teams bilden. Zwei Mädels aus Offenburg und ich tun uns zusammen – der Erste, der was mitkriegt, sagt den anderen Bescheid. Mit unseren zusammengetragenen Informationen wissen wir nun, dass tatsächlich ein Bus fahren soll. Wo genau er abfährt, das fragen wir schon gar nicht mehr die SNCF-Gameleader, sondern die anderen Wartenden. Mit Erfolg.

Nach nur drei Stunden Wartezeit haben wir tatsächlich gewonnen. Ein herrliches Gefühl! Ab geht’s nach Hause und eines haben wir uns auf jeden Fall vorgenommen – am nächsten Streiktag der SNCF sind wir alle wieder in Frankreich! Das bringt’s voll!

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