„Aber soweit wird Putin dann doch nicht gehen…“

Seit Beginn des Ukraine-Kriegs versucht unsere Propaganda Russland schwach zu reden und ein noch härteres Vorgehen Putins als „Angstmache“ abzutun. Wenn das mal kein Fehler ist.

So sah der Staudamm Kachowka noch vor 48 Stunden aus. Jetzt strömen 18 Millionen m3 Wasser aus dem Stausee. Foto: GennadyL / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Vorweg – wie immer in diesem Krieg beschuldigen sich beide Seiten, Russland und die Ukraine, die Sprengung des Staudamms Kachowka in der Südost-Ukraine auf dem Gewissen zu haben. Allerdings ist nur schwer vorstellbar, dass die Ukraine diese Sprengung selbst durchgeführt hat, die innerhalb kürzester Zeit eine riesige Flutwelle ausgelöst hat, welche die Regionalhauptstadt Cherson bereits unter Wasser gesetzt hat und die Evakuierung Tausender Menschen erforderte und dazu die Wasserversorgung des flussaufwärts liegenden Atomkraftwerks Saporischschja gefährdet, was die Gefahr einer nuklearen Katastrophe weiter steigen lässt. Doch die Aussage, dass Putin „dann doch nicht so weit gehen würde“, ist reines westliches Wunschdenken. Russland führt in der Ukraine einen „totalen Krieg“ unter Einsatz aller verfügbaren Mittel. Und von denen können die Russen noch einige mobilisieren.

18 Millionen Kubikmeter Wasser befanden sich in dem riesigen Stausee bei der Stadt Nowa Kachowka, die nun aus dem gestauten Fluss Dnipro ausgelaufen sind und auslaufen. Dieser Stausee versorgt auch die flussabwärts liegende Region Cherson und sogar die Krim mit Wasser, dazu wurde am Staudamm auch ein Wasserkraftwerk betrieben – doch das ist erst einmal vorbei.

Befürchtet wurde ein solcher Anschlag schon längere Zeit, doch wie in Saporischschja geht der Westen weiterhin davon aus, dass Putin nur droht, aber nicht handelt. Das, was entlang der Front passiert, spricht allerdings eine ganz andere Sprache. Russland wird alles daran setzen, diesen Krieg zu gewinnen und dabei alles an Mitteln einsetzen, die ihnen zur Verfügung stehen. Diese Erkenntnis gehört zu einer realistischen Einschätzung der Lage, die erforderlich ist, denn dieser Krieg wird nicht durch das Wunschdenken der einen oder der anderen Seite beendet werden können.

Alles deutet darauf hin, dass diese Sprengung von den Russen durchgeführt wurde, denn dieser Teil der Region Cherson wird von der russischen Armee kontrolliert. Ein unbemerktes Annähern ukrainischer Saboteure an diesen überwachten Staudamm wäre mehr als seltsam, auch, wenn der Kreml der Welt erzählt, die Ukraine würde sich selbst sabotieren.

Die Vorstellung, die Ukraine würde in einer massiven Gegenoffensive die Russen auf dem Land treiben, ist unrealistisch. So lange Putin über Waffen und Strategien verfügt, mit denen er eine Niederlage verhindern kann, wird er diese einsetzen und da bringt es nicht viel, wenn westliche Politiker im Brustton der Überzeugung verkünden, dass Putin aber soweit dann doch nicht gehen würde. Die Option einer militärischen Niederlage gibt es im Kreml nicht.

Auf dieser Grundlage haben die Ukraine und der Westen keinen allzu groβen Handlungsspielraum. Die Eskalation dieses Kriegs immer weiter zu treiben, wird unweigerlich zu Katastrophen führen, die der Westen am liebsten mit eben diesem Satz „aber soweit wird Putin dann aber doch nicht gehen“ wegwischt. Doch zur Beurteilung der Lage wäre es sinnvoller sich einzugestehen, dass Putin alles tun wird, was er tun kann und dass er keinesfalls auf den Einsatz noch brutalerer Methoden und Waffen verzichten wird, wenn die Entwicklung das erfordert.

Wohin die weitere Eskalation führen wird, kann man sich ausmalen. An einer Front, an der inzwischen russische Neonazis (Wagner) und Söldner gegen ukrainische (“Legion Freies Russland” und andere) Neonazis kämpfen, muss man jetzt schnell nachdenken, wohin man diesen Krieg weiter entwickeln will. Einfach Waffen und Geld in die Ukraine pumpen, das wird diesen Krieg auch nicht beenden. Dafür aber immer mehr Menschenleben kosten.

Doch wer glaubt schon ernsthaft an die westlichen Sanktionen, mit denen Russland geschwächt werden soll? Diese Sanktionen werden vom Westen, sobald sie verhängt werden, auch sofort wieder unterlaufen. Doch wie soll es Russland schaden, wenn dessen Energieträger nun eben über die Türkei und Indien nach Europa verkauft werden, statt durch die Ukraine gepumpt zu werden. Dadurch, dass der Westen auch Putins Wunsch nach Zahlung in Rubel brav erfüllt, stärkt der Westen auch noch die russische Währung und damit auch die russische Wirtschaft. Besonders glaubwürdig ist das alles nicht.

Die Sprengung des Staudamms Kachowka sollte aufhorchen lassen, denn Schritt für Schritt eskaliert dieser Krieg. Während alle Experten vor einem Super-GAU in Saporischschja warnen, werden wir das wohl erst dann glauben, wenn er wirklich passiert. Bis dahin dürfen wir weiter den westlichen Propagandisten zuhören: „Aber soweit wird Putin dann aber doch nicht gehen“. Dass er das doch tut, konnte man gestern am Staudamm Kachowka und in der ganzen Region Cherson sehen.

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