Abschied von Präsident Valéry Giscard d’Estaing

Mit Valéry Giscard d’Estaing verstarb einer der letzten Vertreter einer politischen Ära, die das Bindeglied zwischen der Nachkriegszeit und der Moderne darstellt. Speziell Deutschland verdankt dem Prâsidenten Valéry Giscard d’Estaing viel.

Gemeinsam mit seinem Freund Helmut Schmidt arbeitete Valéry Giscard d'Estaing für den europäischen Frieden. Foto: Bundesarchiv B-145 Bild-F051012-0010 / Schaack, Lothar / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Wenn ein Mensch mit 94 Jahren stirbt, dann ist dies ein sehr natürliches Ereignis. Dazu ist es eine Gelegenheit, das Lebenswerk des Verstorbenen zu würdigen, was im Fall von Valéry Giscard d’Estaing nicht schwerfällt. Der frühere Präsident (1974 – 1981) war ein engagierter Europäer, der insbesondere die deutsch-französischen Beziehungen beförderte, was 1974 noch alles andere als eine Selbstverständlichkeit war.

Die besondere Beziehung mit Deutschland begann für Valéry Giscard d’Estaing sehr früh – mit seiner Geburt. Am 2. Februar 1926 erblickte er das Licht der Welt in Koblenz, wo sein Vater in der Verwaltung der französischen Armee arbeitete, die in der Folge des I. Weltkriegs zu diesem Zeitpunkt die Besatzungsmacht am Rhein war. Auch später spielte Deutschland eine große Rolle im Leben des ehemaligen Präsidenten. Im Rahmen seines Studiums an der Eliteschmiede ENA verbrachte VGE, wie ihn die Franzosen nannten, mehrere Monate im Saarland und seine Abschlussarbeit trug den Titel „Die wirtschaftliche Anbindung des Saarlands an Frankreich“. Seine Arbeit wurde damals übrigens mit der Traumnote 19/20 bewertet…

Bemerkenswert war auch seine Freundschaft zu Bundeskanzler Helmut Schmidt. Die beiden verstanden sich hervorragend und ihre Freundschaft ging weit über die diplomatischen Gepflogenheiten hinaus. Gemeinsam führten sie die Arbeit ihrer Vorgänger weiter und brachten die deutsch-französischen Beziehungen auf eine neue Stufe.

Nach seiner Präsidentschaft, die er 1981 hauchdünn gegen François Mitterand verlor, engagierte er sich vornehmlich in der Europapolitik. Als Europaabgeordneter (1989 – 1993) war er in zahlreiche Europa-Dossiers involviert, wie beispielsweise die Einrichtung der Europäischen Weltraumagentur.

Die Historiker werden noch lange an der Analyse seines politischen Wirkens arbeiten, denn Valéry Giscard d’Estaing spiele auch eine erhebliche Rolle in der französischen Parteipolitik in der Übergangsphase zwischen der IV. und der V. französischen Republik.

Valéry Giscard d’Estaing verstarb an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung. Nicht nur Frankreich, sondern auch Deutschland wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren. Möge er in Frieden ruhen.

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