Abzug aus Afghanistan nach 20 Jahren Krieg

Nach 20 Jahren Kampfeinsatz, die dem Steuerzahler 18 Milliarden Euro kosteten und 59 Soldaten und Soldatinnen das Leben, zieht sich die Bundeswehr aus Afghanistan bis spätestens September zurück. Mit welchem Erfolg und Aussichten für das Land?

Wenn der Abzug der westlichen Truppen aus Afghanistan abgeschlossen ist, fällt das Land wieder in die Hände der Taliban. Foto: Deutsches Einsatzkontingent Bundeswehr / Fotos Wir.Dienen.Deutschland / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(Karl-Friedrich Bopp) – Die Entscheidung ist nicht in Berlin gefallen, sondern in Washington. Präsident Biden will die amerikanischen Truppen spätestens zum symbolträchtigen Datum des 11. September 2021 – 20 Jahre nach den Terroranschlägen, unter anderem auf das World Trade Center in New York, zu Hause wissen. Im Rahmen der NATO-Vereinbarungen blieb Bundesregierung und Bundeswehr nur übrig, sich auch an diesem Datum zu orientieren.

Vor 20 Jahren sollte auf US-Geheiß der Terrorsumpf Afghanistan mit seinen radikal-islamistischen Taliban ausgetrocknet werden. Auch Zivilgesellschaft sowie demokratische Strukturen sollten geschaffen werden. Die Lage heute ist, dass die Taliban mit regelmäßigen Anschlägen auf ihre Existenz hinweisen und nach dem angekündigten Abzug nur warten müssen, bis sie wieder in die Hauptstadt einmarschieren können. Die korrumpierte Regierung in Kabul und ihr wackeliger Sicherheitsapparat werden sie jedenfalls nicht aufhalten können.

Humanitäre Organisationen schlagen bereits Alarm. Sie erinnern mit Recht an die mittelalterlichen Zustände, die vor 2001 unter den Taliban in Afghanistan geherrscht haben. An der Situation der Frauen und Mädchen lässt es sich am besten beschreiben. Mädchen durften nicht mehr in die Schule, Frauen das Haus nicht mehr verlassen. Das sind die Zustände, die zum Jahresende 2021 in Afghanistan wieder drohen. Zusätzlich stünde das Land auch wieder als Rückzugsgebiet für islamistische Terroristen zur Verfügung, die jederzeit ausfliegen könnten, um in westlichen Ländern ihr Unwesen zu treiben.

Mit anderen Worten, Afghanistan droht ins Mittelalter zurückzukehren, dort, wo die westliche Gemeinschaft seit 20 Jahren versucht, das Land herauszuholen. Schon heute ermorden die Taliban täglich auf offener Straße Repräsentanten des aktuellen Systems wie Journalisten, Richter und Politiker. Immer wieder werden Stützpunkte der afghanischen Armee angegriffen. Schon heute kontrollieren sie 52 Prozent des Landes.

Die Bekanntgabe eines festen Datums für den Abzug der ausländischen Truppen ist ein Geschenk an die Taliban. Sie brauchen mit niemandem mehr zu verhandeln. Sie müssen nur abwarten, um wieder in Afghanistan einzurichten, was sie sich sehnlichst wünschen – ein islamisches Emirat. Die Entwicklung von Zivilgesellschaft sowie die Einführung von Frauenrechten, all das, was in den letzten 20 Jahren in Ansätzen entwickelt werden konnte, würde binnen Monate wieder zunichtegemacht.

Ein afghanischer General formulierte es wie folgt: „Die USA und ihre Verbündeten sollten ihre Entscheidung, ihre Truppen abzuziehen, überdenken. Der Kampf gegen den islamistischen Terrorismus war eine internationale Angelegenheit, deswegen sind sie nach Afghanistan gekommen, um hier den Feind zu bekämpfen. Dieser Feind ist immer noch aktiv“.

Der Abzug bedeutet, dass aus deutscher Sicht die Bundeswehr ihren längsten Auslandseinsatz beendet, ohne eines der ursprünglich formulierten Ziele dauerhaft erreicht zu haben. Sogar das Gegenteil wird eintreten. In der Zwischenzeit wurden allerdings 18 Milliarden Euro für nichts ausgegeben. Noch schlimmer, 59 Soldaten und Soldatinnen haben ihr Leben umsonst verloren. Zur Information, Frankreich zog seine Streitkräfte bereits Ende 2012 aus Afghanistan zurück.

1 Kommentar zu Abzug aus Afghanistan nach 20 Jahren Krieg

  1. Sehr gut!

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