Ach, das sind nur ein paar Wirrköpfe…

Statt sich mit den millionenfach vorgetragenen Protesten gegen Regierung und Rentenreform zu beschäftigen, versuchen die Pariser Machthaber nur, die Proteste kleinzureden. Aber das bringt nichts.

Aha. Die französische Regierung glaubt also, dass die Mobilisierung abebbt... Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY 2.0

(KL) – „Die Mobilisierung bei den wöchentlich stattfindenden Aktionstagen ebbt ab“, jubelt man in den Pariser Palästen der Macht und diese gewagte Aussage basiert auf den Teilnehmerzahlen an den Demonstrationen, die von den Präfekturen und dem Innenministerium verkündet werden. Doch mit dem Zählen ist das so eine Sache – die Schätzungen der Teilnehmerzahlen liegen zwischen staatlichen Stellen und den Gewerkschaften sehr weit auseinander. Frankreich erlebt die größten sozialen Unruhen seit vier Jahrzehnten und die staatlichen Stellen setzen alles daran, diese Massenproteste zu minimieren. Dieses fast schon reflexhafte Verhalten hat nur einen Nachteil – es bringt nichts. Denn die Proteste gehen ungebremst weiter und werden von Woche zu Woche angespannter. Doch außer „Fake News“ und massiven Polizeieinsätzen fällt der französischen Regierung nicht mehr viel ein.

Nur – am Donnerstag fanden in ganz Frankreich insgesamt rund 370 Demonstrationen statt, das Land steht Kopf. Auch nach mehr als zwei Monaten der Mobilisierung, auch nach 11 großen Aktionstagen. Langsam könnte man auch in den Palästen der Macht in Paris merken, dass diese Mobilisierung keineswegs abebbt und dass die ständig verbreiteten „Fake News“ der Regierung bei der Bevölkerung keinerlei Wirkung mehr zeigen.

Doch die Franzosen, die heute auf der Straße für mehr Lebensqualität im Alter demonstrieren, sind weder Wirrköpfe, noch Querdenker, noch Kriminelle – es ist die arbeitende Bevölkerung, die Macron und Kollegen ein lautes „Nein“ entgegensetzt. Da machen sich die Präfekturen und das Innenministerium lächerlich, wenn sie Menschen, die mit Hunderttausenden anderer Menschen demonstrieren, einreden wollen, dass es sich wieder nur um eine „Handvoll Wirrköpfe“ handelt.

Das Kleinreden dieser Proteste, aber auch Kommunikations-Shows wie das unglaubliche Zusammentreffen der Premierministerin mit den Gewerkschaften, bei dem zum Auftakt das einzige Thema ausgeklammert wurde, das die Gewerkschaften momentan interessiert, all das trägt nur zur Explosivität der Situation bei. Denn die Mißachtung des Volks, das Umgehen demokratischer Prozesse, die beleidigenden Aussagen des Präsidenten und seiner Minister, all das zeigt den Franzosen, dass sie eine Regierung haben, die nicht FÜR, sondern GEGEN sie arbeitet.

Selbst den Zeitpunkt, zu dem der Präsident das Parlament hätte auflösen und Neuwahlen ausschreiben können, hat man verpasst. Heute sind die Umfragen eindeutig – würde jetzt neu gewählt werden, hieße die neue Präsidentin Marine Le Pen und selbst im Parlament wäre die aktuelle Regierungspartei nur noch eine kleine, unbedeutende Fraktion. Die „Macronie“ ist am Ende und das hat sie einzig und allein ihrer unglaublichen Arroganz zu verdanken, mit der sie versucht, über die Franzosen zu herrschen, statt das Land zu regieren.

Die Antwort auf die Unruhen, die seit mehr als 10 Wochen Frankreich erschüttern, kann nur politisch sein. Man kann kein Volk befrieden, indem man es mit kriegsähnlichem Gerät bekämpft. Doch für eine politische Antwort bräuchte es Politiker, die das Format haben, eine solche Antwort zu geben. Und die hat Frankreich schon lange nicht mehr. Weder wird es eine Volksabstimmung über diese Rentenreform geben, noch wird sich Macron trauen, Neuwahlen zu organisieren. Und so wird er versuchen, in den nächsten vier Jahren seiner Amtszeit den Franzosen zu zeigen, dass nur er Herr im Haus Frankreich ist. Doch angesichts des völligen Vertrauensverlustes, den der Präsident gerade erlebt, wäre das wohl republikanischste Verhalten, würde er zurücktreten und seine ganze Regierung in den vorgezogenen Ruhestand mitnehmen. Doch das wird Macron nicht tun und so muss sich Frankreich auf ein paar sehr unruhige Jahre einstellen, in der diese Regierung bei jedem noch so kleinen Projekt mit massivem und militantem Widerstand rechnen muss. Ob Macron wohl stolz darauf ist, dass er sein Land in ein so unsägliches Chaos stürzt?

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