Ach, und auf einmal soll alles wieder gut sein?

Die Mainstream-Medien streuen es unters Volk – es hat sich doch gelohnt wählen zu gehen. Vier Wochen nach der Europawahl entscheidet Brüssel gnädig, dass Volkes Stimme zählt.

OK, Juncker wird nun doch Kommissionspräsident. Aber nicht, weil die Europäer ihn gewählt haben. Foto: European Peoples Party / Wikimedia Commons

(KL) – Moooooment mal. Was ging denn da gestern durch die Medien? Ende gut, alles gut? Der Brüsseler Gipfel der Staats- und Regierungschefs der EU hat schließlich gnädig Jean-Claude Juncker als neuen Kommissionspräsidenten vorgeschlagen? Wie großzügig. Die Älteren unter uns werden sich erinnern, dass wir im Mai 2014 nicht nur das neue Europaparlament, sondern auch den neuen Kommissionspräsidenten gewählt hatten. Was heute zählt, ist nicht etwa die Personalie Jean-Claude Juncker, sondern der Versuch des Europäischen Rats, ein demokratisch herbeigeführtes Votum der Europäer einfach zu ignorieren. Diese vier Wochen haben der europäischen Demokratie einen schweren Schaden zugefügt.

Der Eric Cartman der europäischen Politik, der britische Premier David Cameron, gab sich große Mühe, sich so zu verhalten, wie man es von seinem großen Vorbild aus der TV-Serie „South Park“ auch erwartet. Er stampfte mit dem Fuß auf, drohte, dass damit der britische Austritt aus der EU näher rücken könnte und er schien sich tatsächlich zu wundern, dass die anderen EU-Staaten keine rechte Lust hatten, seinen Kurs mit zu fahren.

Dass der nun designierte Kommissionspräsident Juncker für das Europa von gestern steht, das ist klar. Dass er für das Europa der Finanzmärkte steht, ist ebenso klar. Ist ja auch logisch, als ehemaliger Chef der Eurogruppe und als Ministerpräsident eines Landes, das sein Geld mit dem Handel mit Geld verdient. Nachdem Juncker die nationalen Wahlen in Luxemburg überraschend verloren hatte, musste für ihn ein Job gefunden werden. Aber das alles ist Schnee von gestern. Niemand hat die Konservativen gezwungen, aus der Kommissionspräsidentschaft ein Versorgungspöstchen zu machen, doch hat auch niemand die Europäer gezwungen, wie Lemminge genau diese Leute zu wählen. Aber last, doch sicherlich nicht least, hat niemand unsere Staats- und Regierungschefs gezwungen, das Votum der Europäer derart zu missachten. Das ist von allen diesen Skandalen der größte.

Das Brüsseler Europa wird es nicht schaffen, das verlorene Vertrauen der Menschen in die europäische Politik wieder herzustellen – dazu braucht es das Europa Straßburgs. Und einen völlig anderen Umgang mit den Bürgerinnen und Bürgern, die sich angesichts dieser Politikfarce reichlich verkohlt vorkommen. Unter „Europa muss innovativer werden“ hatten wir uns eigentlich etwas anderes vorgestellt als die Schnapsidee, nach einer Wahl zu merken, dass man den Kandidaten, den man selbst gekürt hat (was auf Merkel zutrifft; Cameron hatte die hoch innovative Idee, erst gar keinen Kandidaten aufzustellen, sondern nach der Wahl am 25. Mai erstaunt festzustellen, dass gerade Europawahl war). Es fallen einem auf Anhieb 50 geeignetere Kandidaten als Jean-Claude Juncker ein, aber Herrschaftszeiten!, das war nun einmal euer Kandidat! Den haben ja nicht wir ausgewählt!

Dass unsere europäischen Spitzenkräfte immer noch nicht begreifen, was sie da gerade für einen Schaden anrichten, erkennt man an der Kommunikation am Freitag. Die waren alle zufrieden mit sich! (Bis auf Eric Cartman, aber der ist ja eh nie zufrieden). Und es wird jeden Tag ein wenig deutlicher, dass wir keine oberflächlichen Reformen brauchen, sondern eine grundlegende Neustrukturierung der europäischen Politik mit einer hohen Subsidiarität und Bürgerbeteiligung. Ansonsten wird das europäische Haus baufällig. Große erste Risse zeigt es ja schon auf.

1 Kommentar zu Ach, und auf einmal soll alles wieder gut sein?

  1. Peter Cleiss // 28. Juni 2014 um 8:25 // Antworten

    Es gibt für diesen sehr richtigen Kommmentar nur eine Lösung: die Menschen Europas, das europäische Volk, muss ernst machen mit “alle Macht geht vom Volk aus”. Wir müssen endlich bestimmen was wir wollen und wen wir wollen. Die sind für uns da und nicht etwa wir für die! Wenn wir ein anderes Europa wollen haben wir es in der Hand dieses andere Europa durchzusetzen – scheint leider nur nicht Vielen klar beziehungsweise attraktive genug für ein Engagement zu sein. Und so ist es am Ende wie immer: wir bekommen was wir verdient haben.
    Dass man sich als nicht-CDU-Wähler am Ende für Junker einsetzen muss um wenigstens die Einhaltung der Spielregeln zu retten ist zumindest mal was Neues …

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