„Adolf Hitler war ein Linker, ein Kommunist“
In ihrem Live-Gespräch mit Elon Musk zog die AfD-Chefin Alice Weidel richtig vom Leder. Und ebenso unglaublich wie das Musk-Gespräch war danach ihr RTL/n-tv-Interview.

(KL) – So, jetzt wissen wir es endlich – Adolf Hitler war nicht etwa der schlimmste rechtsextreme Ultranationalist aller Zeiten, sondern laut AfD-Chefin Alice Weidel ein „Linker und Kommunist“. In ihrer Denkweise muss das ja auch so sein, denn Antisemitismus ist ja ein Feld, das ihrer Ansicht nach nur von linksradikalen Kräften betrieben wird. Das Beunruhigende an den Weidel’schen Ausfällen ist allerdings nicht nur, dass die Frau solche Dinge zum Besten gibt, sondern dass ihre abstrusen Aussagen weiter auf fruchtbaren Boden fallen werden und die AfD nicht etwa Stimmen kosten werden, sondern ihr weitere Stimmen bringen – mit oder trotz ihren haarsträubenden Aussagen liegt die AfD in den aktuellen Umfragen bei 20 % der Stimmen für die nächste Bundestagswahl im Februar, Tendenz steigend.
So richtig geschichtsfest ist Alice Weidel allerdings nicht. Historisch belegt ist, dass der Gefreite Adolf Hitler, der im I. Weltkrieg in einem bayerischen Regiment an der Westfront unterwegs war, die „Dolchstoß-Legende“ verinnerlicht hatte und bereits 1919 einen virulenten Antisemitismus entwickelte, der weder „links“ noch „kommunistisch“ war, denn in seiner schrägen Denkweise machte Hitler, wie viele andere ultrarechte Kräfte damals, die Juden und Kommunisten für die deutsche Niederlage im I. Weltkrieg verantwortlich.
Hitler – ein Kommunist? Offenbar hat Frau Weidel zu dem Zeitpunkt im Geschichtsunterricht gefehlt, als es darum ging, dass Hitler für seine Machtübernahme sozialistische und kommunistische Politiker und Parteiaktivisten zu Zehntausenden verhaften und in KZs umbringen ließ. Denn Hitler war ebenso wenig Kommunist wie Alice Weidel, sondern der ultranationalistische Massenmörder der jüngeren Geschichte.
Hinter Weidels haarsträubenden Aussagen steckt natürlich politisches Kalkül, das schon fast orwell-mäßig ist – die AfD teilt die Welt nur noch in schwarz-weiß ein, wie die Tiere in Orwells „Animal Farm“. Dabei übernimmt die AfD in Weidels Diskurs die Rolle der Schweine („vier Beine gut, zwei Beine schlecht“), während alle anderen die Rolle der bösen Menschen haben. In Alice Weidels Welt ist „links“ böse und „rechts“ gut – folglich muss Adolf Hitler „links“ gewesen sein.
Noch vor ein paar Jahren hätte man sich nun gefreut, dass eine Alice Weidel derart Unglaubliches von sich gibt und man hätte sich gesagt, dass die Wähler einem derartigen Blödsinn dann wohl doch nicht auf den Leim gehen werden. Doch wir schreiben das Jahr 2025, und die Weidels, Kickls, Melonis, Wilders, Le Pens und wie sie alle heißen haben ihre Claqueure, die auch den abstrusesten Quatsch ihrer neonationalistischen Helden und Heldinnen begeistert beklatschen. Daher wird Weidels Auftritt ihr keineswegs schaden, sondern viele einfach gestrickte Menschen werden ihrem gedanklichen Konstrukt „Adolf Hitler = links = links gefährlich = besser rechtsextrem wählen“ folgen.
Dass Hitler zu Beginn seiner Machtperiode soziale Maßnahmen ergriff, ist nicht etwa „links“, sondern war eine Voraussetzung für sein totalitäres und faschistisches System, denn Totalitarismus setzt voraus, dass sich die träge Masse bewegt und diese kann man lediglich durch breit angelegte soziale Maßnahmen in Bewegung setzen. Dass Hitler tatsächlich die Arbeitslosigkeit in Deutschland überwand, war nicht etwa ein Zeichen dafür, dass er „links“ war, sondern er beschäftigte die vielen Arbeitslosen in seiner Kriegswirtschaft – in Rüstung und Straßenbau, wie für die Autobahnen, die einzig zum Zweck des Truppentransports gebaut wurden, aber natürlich viele Arbeiter in Lohn und Brot brachten. Mit „linker“ Sozialpolitik hatte diese Kriegsvorbereitung aber natürlich nichts zu tun.
Auch Weidels Versuch, den grassierenden Antisemitismus lediglich nach „links“ zu schieben, ist natürlich falsch. Wer Antisemitismus auf „linke“ Jugendliche der Greta Thunberg-Generation reduziert, die mit Palästinensertüchern ausgestattet „From the River to the Sea“ gröhlen, der minimiert das Phänomen des Antisemitismus nicht nur, sondern leistet diesem sogar noch Vorschub. Speziell im rechtsextremen Spektrum ist der Antisemitismus so präsent wie vor 90 Jahren und Weidels Versuch, ihre rechtsextreme AfD auf diese Weise dem Lager der „Guten“ zuzurechnen, ist intellektuell eine Unverschämtheit.
Dass Alice Weidel im RTL/n-tv-Interview mit dem hervorragenden Nikolaus Blome ihre abstrusen Themen weiter verteidigte, ist unglaublich. Wobei ebenfalls unglaublich war, dass der Journalist trotz der permanenten arroganten Weidel’schen Provokationen ruhig blieb und deutlich aufzeigte, in wessen Geist die AfD-Kandidatin unterwegs ist.
Die AfD von Alice Weidel macht Wahlkampf mit Geschichtsfälschung und nutzt sogar Adolf Hitler für ihren Stimmenfang. Es wird immer deutlicher, dass sich diejenigen, die am 23. Februar für die AfD stimmen, an den künftigen Katastrophen mitschuldig machen. Doch leider wird diese Erkenntnis kaum dazu beitragen, dass sie diese Wahl nicht erfolgreich für sich gestalten wird. Und plötzlich denkt man wieder an Heinrich Heine: „ Denk’ ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht, ich kann nicht mehr die Augen schließen“…
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