Älter geht’s kaum – Monteverdi in der Rheinoper Straßburg

War der venezianische Musiker Claudio Monteverdi der Erfinder der modernen Oper? Sicher ist zumindest eines: Die Partituren und das Librettos seiner Singspiele sind die ältesten, die uns noch vorliegen und sich somit bis heute aufführen lassen, als wären sie erst gestern entstanden. So wie ab Freitag in der Straßburger Rheinoper.

Führt der Weg zur Krönung immer nach oben? Zumindest sind die Stufen hoch und die Treppe steil, sodass man sich einbilden kann, das Ringen um Aufstieg hätte nur eine Richtung. Ab 24. März geht es in der Straßburger Rheinoper auf dem Krönungsweg der Poppea erst einmal drunter und drüber. Foto: Illustration von Laura Junger, OnR

(Michael Magercord) – Was ist eigentlich alt? Die Oper. Und zwar bereits vierhundert Jahre. Mindestens. So alt sind nämlich die ersten uns noch bekannten kompletten Notenüberlieferungen von Singspielen aus Venedig. Dort wurden sie zur Karnevalszeit zur Belustigung des bereits belustigten Volkes allenthalben gespielt. Etliche Komponisten buhlten um die Gunst des Publikums, wobei einer den Nerv des etwas anspruchsvolleren Klientels traf: Claudio Monteverdi, der nun gar als Wegbereiter der modernen Oper gilt.

Heute würde man sagen, der gelernte Musiker sei ganz besonders innovativ gewesen. Vielleicht aber war er einfach tiefsinniger veranlagt als die bloß lustigen Belustiger. Oft haben ja letztlich nur jene kulturellen Neuerungen über die Jahrhunderte Bestand, die gar nicht unbedingt als solche beabsichtigt waren, sondern einem echten Bedürfnis entsprachen – und zwar sowohl der Macher als auch der Konsumenten. Und sollte es tatsächlich so sein, dass nur jenes von Dauer sein wird, was auch von Belang ist, so kann uns dieser Umstand auf zweierlei Weise beruhigen: Erstens können wir darauf setzen, dass so mancher Unfug, der uns heutzutage die Ohren volljault oder die Sinne vernebeln will, in wenigen Jahrzehnten verschwunden sein wird; und zweitens dürfen wir uns Werken, die es tatsächlich über unterschiedlichste Zeitläufte hinweg bis zu uns geschafft haben, getrost anvertrauen.

So auch der letzten Oper von Claudio Monteverdi. Für sie hatten sich der Musiker und sein Librettist bereits auf seinerzeit bewährte Überlieferungen anvertraut. Die Geschichte zum innovativen Singspiel stammt aus der guten alten Römerzeit, die ja eben nicht immer so gut war, sodass sich ihre Storys bestens zur dramatischen Zuspitzung auf der Opernbühne eignen. In der „Krönung der Poppea“ dreht sich alles um die Händel zwischen Liebe, Intrige und Politik über die Heiratspläne des Kaisers Nero. Der unberechenbare Herrscher will seine Geliebte zur Kaiserin machen, wozu er erst einmal seine Frau verstoßen muss. Bevor allerdings schließlich Vollzug gemeldet werden kann, werden Morde und Selbstmorde in Auftrag gegeben, vereitelt oder ausgeführt. Und als wäre es ein Stück von gestern und heute zugleich, ist ein immer noch berühmter Philosoph dabei, der raffgieriger Unternehmer war und gleichsam allen anderen das große Glück der Enthaltsamkeit predigte. Als weiser Mann war er natürlich in der Lage, beides unter einen Hut zu bringen: „Hört auf, den Philosophen das Geld zu verbieten! Niemand hat die Weisheit zur Armut verurteilt“.

Soweit also das schon zu Monteverdis Zeiten gute Alte. Doch wahrlich neu an seinen Werken war und ist die Musik. Denn der Komponist führte als erster den „Basso ostinato“ in die Partitur als Grundmuster ein. Und dieser „schreitende Bass“ wird bis heute in der Pop- und Jazzmusik angewendet. Er bildet mit seinen stringenten Viertelnoten das harmonische Gerüst der meisten populären Stücke unserer Zeit. Oder anders gesagt: Nicht viel Neues unter der musikalischen Sonne, seit sie im Barock den Musikern geschienen hat.

Bei der Wiederaufführung in der Rheinoper Straßburg sorgt das Alte-Musik-erfahrene Ensemble Pygmalion unter der Leitung von Raphaël Pichon und gestandene Sopran- und Kontertenorstimmen für eine werkgetreue Darbietung, während sich der kasachisch-österreichische Regisseur Evgeny Titov daran gemacht hat, eine neue – und vermutlich innovative – Inszenierung für die alte Geschichte auf die Bühne zu bringen. Und wir, die Zuschauer? Sind wir nicht das wahre Zwitterwesen zwischen gestern und morgen? Denn folgen wir mithilfe der Musik einer alten Geschichte, um heute daraus vielleicht so manche Lehre für unsere nicht mehr ganz so vorhersehbare Zukunft ziehen können?

Bei soviel Schwebezustand ist es eine wirklich gute Nachricht, dass uns wenigstens der vertraute und bewährte Opernsaal in Straßburg wohl erhalten bleiben wird. Die grüne Stadtregierung hat sich schließlich vom Plan der vorherigen, ein komplett neues Operngebäude am Rhein zu errichten, verabschiedet. Nun soll das auch schon zweihundert Jahre alte Gebäude am Broglie-Platz ab 2026 renoviert werden: Plüsch statt Beton – wenn das nicht eine wahrlich innovative Entscheidung ist. Jetzt bleibt nur noch abzuwarten, ob sowohl dann bei dieser Renovierung, als auch schon jetzt in dieser Inszenierung entsprechend feinfühlig und behutsam mit dem Alten umgegangen wird.

Die Krönung der Poppea - Oper von Claudio Monteverdi um 1650
Nach einem Libretto von Giovanni Francesco Busenelli
Neuproduktion der Rheinoper Straßburg

Dirigent: Raphael Pichon
Regie : Evgeny Titov
Ensemble Pygmalion

Opéra Straßburg
FR 24. März, 20 Uhr
SO 26. März, 15 Uhr
DI 28. März, 20 Uhr
DO 30. März, 20 Uhr

La Filature Mülhausen
SO 16. April, 15 Uhr
DI 18. April, 20 Uhr

Theatre Colmar
SO 30 April, 15 Uhr

Tickets und Information: www.operanationaldurhin.eu

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