Ahem, ich wollte doch eigentlich nur Kaffee kaufen…

Wer dachte, dass man Kaffee einfach so kauft, der hat sich getäuscht. Mittlerweile muss man sich schon überlegen, was man anzieht, bevor man sich in die heiligen Hallen des größten Kaffeerösters begibt.

Um an diesen edlen Lifestyle-Rohstoff zu kommen, sollte man sich gut anziehen, Zeit und Nerven mitbringen und nicht denken, dass man einfach nur "Kaffee kauft"... Foto: Eurojournalist(e)

(WB) – Eigentlich wollte ich nur Kaffee kaufen. Also das tun, was man früher, in der guten, alten Zeit, im Supermarkt erledigte. Wo man neben Milch, Eiern, Marmelade eben auch ein Päckchen Kaffee mit in den Einkaufskorb packte. Doch diese Zeiten sind vorbei.

In Straßburgs edler Innenstadt, gleich neben Luxusläden, wo man Uhren für fünfstellige Beträge erstehen oder Gänsestopfleber oder andere teure Dinge erstehen kann, befindet sich eine Filiale eines großen Kaffeerösters. Dessen Produkte zwar ziemlich teuer sind, aber dieser Kaffee, das stellte auch schon die eine oder andere Hollywood-Größe fest, ist leider auch mit Abstand der beste. Und den „kauft“ man nicht so einfach. Den ersteht man. Mit Würde und Klasse. Das allerdings will gelernt sein.

Den Ton geben die Mitarbeiter in diesem Laden vor, die im schwarzen Anzug oder im schwarzen Kleid hinter den spärlich besetzten Tresen stehen. An denen man gefühlt eine halbe Stunde warten muss, bis man das Privileg genießt, Kaffee zu erstehen. Der Vorgang dieses Einkaufs hat etwas Erniedrigendes, vor allem, wenn man keine Kundenkarte besitzt oder die Stirn hat, nur geringe Mengen zu erstehen. Wobei eine „geringe Menge“ durchaus mal 50 Euro kosten kann, es ist dann aber immer noch eine geringe Menge und dementsprechend wird man von den Heißgetränkefachberatern auch behandelt. Von oben herab. So dass man sich fast bedanken möchte, dass man am Ende den Kaffee auch tatsächlich ausgehändigt bekommt.

Zeit sollte man mitbringen, denn hier kauft man keinen Kaffee, kein schnödes Alltagsprodukt, sondern „Lifestyle“. Die Atmosphäre ist gedämpft, gerne wird auch, besonders, wenn die Warteschlange immer länger wird, noch ein ausgiebiges Gespräch mit der guten Kundin geführt, die sich offenbar extra für diesen Besuch fein gemacht hat und einen weißen Jack Russel auf dem Arm trägt. Da sie öfters herzukommen scheint und für mindestens 250 Euro Kaffee ersteht, wird sie auch mit Busserl verabschiedet. Nach einer endlosen Diskussion über das Befinden des Herrn Gemahl. Doch niemand in der Warteschlange würde laut protestieren, alleine schon aus Angst, am Ende keinen Kaffee, pardon, „Lifestyle“ erstehen zu dürfen.

Und endlich, endlich ist man dran. „Monsieur?“, fragt die Dame und mustert den Kunden von Kopf bis Fuß. „Haben Sie eine Kundenkarte?“ Natürlich habe ich eine Kundenkarte, den Fehler keine zu haben, habe ich nur einmal gemacht. Die Mine der Heißgetränkefachberaterin hellt sich ein ganz klein wenig auf, allerdings spüre ich deutlich, dass das Fehlen einer Krawatte unangenehm auffällt. Ich bestelle 10 Stangen verschiedener Kaffeesorten. Für immerhin fast 40 Euro. Mit indigniert hochgezogenen Augenbrauen fragt die Dame „Ist das alles?“. Ich nicke. Gnädig informiert sie mich, dass wenn ich 25 Stangen kaufe, ich die „Selection de grands crus“ als Geschenk erhalte. 16 Portionen Spitzenkaffee, umsonst. Gnadenhalber. Will ich aber nicht. „Aber dann doch wenigstens einen Entkalker für die Maschine?“ Darauf bin ich schon das letzte Mal hereingefallen. Kostet 8 Euro. Nein danke.

Ich zahle mit Bargeld. Nicht etwa mit einer schwarzen Amercian Express, auch nicht mit einer goldenen VISA. Einfach so mit Bargeld. Angewidert nimmt die Dame meine Scheine mit spitzen Fingern, kramt umständlich das Wechselgeld hervor, wobei sie mir deutlich zu verstehen gibt, dass man es eigentlich nicht gewohnt ist, solch schnöde Transaktionen mit der Kundschaft abzuwickeln. Und – der Höhepunkt der Erniedrigung, anders als die „guten“ Kunden, werde ich nicht gefragt, ob ich nicht einen Kaffee in der Degustations-Ecke zu mit zu nehmen gedenke. Denn dieser kleine Bonus-Kaffee ist nur den „guten Kunden“ vorbehalten und die Heißgetränkefachberater entscheiden spontan, der dieses kostenlosen Kaffees würdig ist und wer nicht. Ich nicht.

Als ich nach fast einer Dreiviertelstunde wieder auf die Straße gehe, bin ich zwar 40 Euro für ein wenig Kaffee los geworden, fühle mich aber wie ein Obdachloser. Als ob ich mit Jeans und Poloshirt in eine Rolls Royce-Niederlassung gegangen bin. Vielleicht sollte ich doch wieder auf Filterkaffee umsteigen…

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