Ain’t no sunshine when he’s ghosn…
Die hollywoodreife Flucht des Automobilmanagers Carlos Ghosn aus Japan ist ganz nach dem Geschmack der Franzosen. Aber das dicke Ende könnte noch kommen.
(KL) – Der Mann war noch vor wenigen Monaten einer der erfolgreichsten Automobilmanager der Welt. Carlos Ghosn, Chef von Renault und Nissan, der für seine vielen Dienstreisen die Wahl zwischen einem französischen, einem libanesischen und einem brasilianischen Pass wählen konnte, verkaufte aber nicht nur Autos, sondern häufiger auch die ganze dazugehörige Marke. Und dabei soll er, so der Vorwurf der japanischen Behörden, „Untreue und finanzielles Fehlverhalten“ an den Tag gelegt haben. Das wollten die japanischen Gerichte genauer untersuchen und nahmen Carlos Ghosn in Untersuchungshaft. Aus dieser wurde er unter Auflagen, unter anderem derjenigen, das Land nicht zu verlassen, im April 2019 entlassen. Ghosn nutzte jetzt die Gelegenheit zu einer filmreifen Flucht von Osaka über Istanbul nach Beirut.
Fliehende romantische Helden stehen in Frankreich hoch im Kurs. Ob Fanfan la Tulipe, ob d’Artagnan, der Graf von Montecristo oder Papillon – die Sympathien sind denjenigen sicher, die sich schlitzohrig dem Zugriff der Staatsgewalt entziehen. Darauf baut jetzt Carlos Ghosn, der allerdings im richtigen Leben alles andere als ein romantischer Held ist. Doch die Rolle von Ghosn könnte weder von Alain Delon, noch von Jean-Paul Belmondo oder Lino Ventura gespielt werden, denn der Mann ist kein Held. Ghosn gehört zu den Akteuren des Wirtschaftslebens, die wissen, wer sich bei welchen Deals wie bereichert und es wäre interessant gewesen, dies zu erfahren. Doch Carlos Ghosn türmte aus dem japanischen Hausarrest und bevor die Behörden etwas gemerkt hatten, kletterte er bereits in Beirut aus dem Privatjet.
Erst kurz davor hatte sein früherer Arbeitgeber Nissan die Beschattung des Managers eingestellt und schon war Ghosn weg. Schwer vorstellbar, dass diese Flucht angeblich in einer Transportkiste für eine Musikanlage, ohne die Hilfe des einen oder anderen Geheimdienstes möglich war. Da es sich um eine Privatmaschine handelte, soll das Gepäck nicht geröntgt worden sein und das geht wohl nur in Osaka. Jetzt muss man die ganze Geschichte nur noch glauben.
Die Flucht von Carlos Ghosn ist nicht etwa ein dreistes Bubenstück, dass einem ein Lächeln und sogar ein wenig Anerkennung abnötigt, sondern der letzte Beweis, dass Geld alles kaufen kann, inklusive einer Flucht aus Japan. Offenbar gibt es Menschen und Organisationen, die ein großes Interesse daran haben, dass ihre kleinen Geheimnisse nicht öffentlich werden. Und deren Arm ist so lang, dass sie selbst eine Flucht aus dem fast komplett überwachten Japan organisieren können.
Wie sicher Carlos Ghosn im Libanon ist, wird sich zeigen – den Japanern und deren Geheimdiensten dürfte der Gesichtsverlust ihrer Behörden nicht so gut gefallen – doch ob und wie lange Ghosn im Libanon bleiben wird, ist offen.
Demnächst wird es sicherlich einen Film „Carlos – die Flucht“ geben, doch sollte sich das anerkennende Lächeln in Grenzen halten. Carlos Ghosn gehört nicht etwa in die Kategorie „Robin Hood“, sondern eher in die Kategorie „Schreibtischtäter“ und es wäre an der Zeit, dass ein solcher Topmanager einmal vor Gericht die Machenschaften in den samtigen Chefetagen offenlegt. Dass die Japaner Ghosn haben entwischen lassen, ist kein Heldenstück, sondern der Gipfel der Korruption. Mal schauen, wann er wem ins Netz geht.
Kommentar hinterlassen