Aleppo stirbt – und klagt uns alle an

Erschütternde Nachrichten kommen aus Aleppo – wo die Welt tatenlos zusieht, wie Diktator Assad mit Hilfe seines Freundes Putin einen Völkermord am eigenen Volk verübt. Aus Gründen der Realpolitik schweigen wir betreten.

Aleppo, eine Millionenstadt, vergewaltigt und hingemetzelt. Und die "Internationale Gemeinschaft" hat keinen Finger gerührt. Foto: Voice of America News / Scott Bobb / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Aleppo ist gefallen. Truppen des Diktators Assad, Revolutionsgarden aus dem Iran, Einheiten aus dem Libanon und dem Irak und russische “Militärberater” rücken in die Stadt ein, die am heutigen Mittwoch von den letzten in Ost-Aleppo ausharrenden Kämpfern gegen das Assad-Regime geräumt werden soll. Über die Gespräche zu dieser Räumung gibt es widersprüchliche Informationen und angesichts des brutalen Vorgehens der Assad-Truppen in den letzten Tagen und Stunden muss mit dem Schlimmsten gerechnet werden. Sicher ist nur eines – in den Städten Aleppo und Homs fand und findet ein Genozid an der Zivilbevölkerung statt, gegen den weder die UNO, noch die europäischen Institutionen etwas ausrichten können. Und eigentlich auch gar nicht wollen.

Was wird mit den zahlreiche Zivilisten, die von der Erde aus beschossen und aus der Luft von russischen Flugzeugen bombardiert wurden und werden. Viele versuchen zu fliehen, es gibt Berichte, dass Fliehende massakriert werden. Die Überprüfung von Informationen ist schwer, die Sozialen Netzwerke sind voll von erschütternden Videos und Kurzmeldungen, die vor allem eines sind – Hilferufe der Eingeschlossenen an die Internationale Gemeinschaft, was besonders deswegen erschütternd ist, weil es die Internationale Gemeinschaft ebenso wenig gibt wie die Europäische Union.

Da sitzen sie nun, die Herren in grauen Anzügen, die eigentlich die Macht hätten, die Schlächter von Syrien so unter Druck zu setzen, dass sich etwas ändert. Doch die zynische Realpolitik der UNO und der Europäischen Union hindert die grauen Herren daran, wirklich etwas zu unternehmen, da beispielsweise Sanktionen bei uns Arbeitsplätze gefährden könnten. Und wenn der Westen vor der Wahl zwischen unseren Arbeitsplätzen und Toten in anderen Teilen der Welt steht, fällt die Wahl nicht schwer. Denn Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum sind das Goldene Kalb, um das wir alle herum tanzen.

Aleppo liegt in Schutt und Asche und Syrien wird nicht zur Ruhe kommen, solange Assad sein Unwesen treibt. Und die Internationale Gemeinschaft – bedauert. Aber wozu brauchen wir dann noch diese „Internationale Gemeinschaft“, die gar keine ist? Und wie können wir es wagen, die Flüchtlingsfrage zu debattieren, während wir gleichzeitig tatenlos zusehen, wie ein ganzes Volk von einem Diktator mit seinen nicht weniger diktatorischen Freunden zusammen hingemetzelt wird?

Kriege hat es immer schon gegeben, neu ist, dass Kriege über Neue Medien praktisch in Echtzeit aus Sicht der Opfer miterlebt werden. Und die ganze Grausamkeit des Sterbens, der ganze Zynismus der Täter, in stillen und bewegten Bildern um die Welt geht.

Was hat die Welt nur in Syrien angerichtet, einschließlich der EU? Haben wir nicht alle zu dieser „Koalition der Willigen“ gehört, die ihren Stellvertreterkrieg im Interesse der Waffenlobby in Syrien austrägt? Warum haben wir in Zeiten modernster Waffentechnologie nichts getan, um den Diktator Assad aus dem Rennen zu nehmen, wo niemand bestreitet, dass dieser Massenmörder sein eigenes Volk ermordet? Wo sind die Handelsblockaden gegen Russland, wo ist Handeln?

Aleppo ist Geschichte. Die Stadt zählte vor wenigen Jahren noch 1,7 Millionen Einwohner – ab sofort wird sie eine Geisterstadt sein, bestehend aus Ruinen und Tränen. Und dann werden wir Europäer sicher wieder anfangen, blendende Geschäfte mit Assad zu machen, ihm unsere Autos, Waffen und Landmaschinen verkaufen, Know-How und Technologie andienen und einfach vergessen, was passiert ist. Und jetzt, so kurz vor Weihnachten, dem christlichen Fest der Nächstenliebe, wollen wir auch gar nichts davon hören. Hauptsache, die Opfer dieses Massakers aus Syrien kommen nicht zu uns und essen unsere Weihnachtsplätzchen auf. Und damit das nicht passiert, haben die Christlich-Demokratische Union und die Christlich-Soziale Union auch gleich die Weihnachtsparole 2016 ausgegeben: „Abschieben, abschieben, abschieben“. Es gibt Tage, an denen ist einem nur noch schlecht.

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