Alle Blicke gehen in Richtung Ankara

Schweden und Finnland haben offiziell einen Beitrittsantrag zur NATO gestellt. Nun lautet die Frage, was sich Erdogans Türkei für ein OK bezahlen lässt. Billig wird das nicht.

In der NATO-Zentrale in Brüssel liegen nun die Beitrittsanträge Schwedens und Finnlands vor. Was sagt die Türkei? Foto: U.S. Department of State from United States / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Eines muss man Recep Tayyip Erdogan lassen – er ist ein großartiger Opportunist, der stets versucht, jede sich bietende Gelegenheit zu nutzen, seine eigene Position und die der Türkei zu stärken, gleich, was er dafür anstellen muss. Und nun entwickelt sich das Weltgeschehen ganz zu seinem Vorteil – denn am türkischen OK wird sich entscheiden, ob Schweden und Finnland zügig in die NATO aufgenommen werden können. Dieses OK wird sich Erdogan teuer bezahlen lassen.

Schweden und Finnland gehören zu den Ländern, in denen die PKK, die kurdische Arbeiterpartei, nicht als terroristische Organisation betrachtet wird. Das aber möchte Erdogan ändern und die Ächtung der PKK in den beiden skandinavischen Ländern wird zum Paket gehören, das die Türkei von den übrigen NATO-Staaten einfordern wird. Einmal mehr werden die Kurden zum Spielball des Westens. Unwillkürlich denkt man an Syrien, wo die Kurden diejenigen waren, die unter großen Opfern den „Islamischen Staat“ besiegt hatten, was den westlichen Mächten und Russland nicht gelungen war. Doch kaum hatten die Kurden den „IS“ besiegt, wurden sie vom Westen schmählich fallen gelassen. Und Erdogan nahm unverzüglich seinen Krieg gegen die Kurden wieder auf.

Es ist unwahrscheinlich, dass Schweden und Finnland ihr eigenes Sicherheitsbedürfnis der Solidarität mit den Kurden opfern werden. Allerdings muss man damit rechnen, dass Erdogan weitere Forderungen stellen wird, so, wie er es immer macht, wenn er gerade gute Karten in der Hand hat. Wie beispielsweise während der syrischen Flüchtlingskrise, als er die EU geradezu mit der Drohung erpresste, er würde die syrischen Flüchtlinge in die EU durchleiten. Damit er das nicht tat, spendierte ihm die EU runde 6 Milliarden Euro und das unmittelbar vor den Wahlen, woraufhin Erdogan einen Sprung in den Umfragen machte und die Wahlen deutlich gewann.

Nun liegen also die Beitrittsanträge Schwedens und Finnlands in Brüssel auf dem Tisch, doch ist noch unklar, was Erdogan alles fordern wird. Die anderen NATO-Mitgliedsstaaten stehen einer zügigen Aufnahme positiv gegenüber und es laufen Diskussionen, wie man beiden Ländern bereits in der Aufnahmephase echten Schutz garantieren könnte. Doch ohne das Plazet aus Ankara geht erst einmal nicht viel.

Für Schweden und Finnland ist die Bitte um Aufnahme in die NATO alles andere als ein einfacher Schritt, da die Neutralität in diesen Ländern ein wichtiger Bestandteil der politischen, aber auch gesellschaftlichen Kultur war. Diese aufgrund der russischen Aggressionen über Bord zu werfen, ist eine extrem schwierige Entscheidung gewesen.

Auf jeden Fall kann Erdogan jetzt nicht auf Zeit spielen. Allerdings ist die Entscheidung auch für ihn nicht einfach, da er seit geraumer Zeit versucht, sich bei allen politischen Lagern und Organisationen anzubiedern. So will er es sich nicht mit Moskau und Peking verderben, schon gar nicht mit den USA und auch nicht mit der EU. Als erstes hat Erdogan den Aufnahmeantrag Schwedens und Finnlands paralysiert, so dass der NATO-Rat keinen Beschluss fassen kann. Doch muss Erdogan aufpassen, dass er nicht zu hoch pokert. Denn ansonsten kann es auch passieren, dass die Türkei auf der falschen Seite steht und plötzlich selbst den Stuhl vor die Tür gestellt bekommt. Dann würde Erdogan als “Freunde” nur noch Russland bleiben und damit gewinnt man momentan keinen Blumentopf. Die Blockade des Aufnahmeprozesses Schwedens und Finnlands in die NATO könnte für Erdogan zum Bumerang werden. Denn viel Zukunft hat die Türkei nicht, wenn ihr nur noch Russland zur Seite steht.

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