Allein gegen alle – die GDL legt wieder einmal Deutschland lahm

Die Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag des Berliner Mauerfalls finden ohne die Deutschen statt – die GDL verordnet Deutschland bis Montag Hausarrest.

Große Klasse, GDL! Am Ende könntet ihr mit leeren Händen dastehen, allen voran euer seltsamer Chef. Foto: bigbug21 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.5

(KL) – Manchmal ist die Geschichte ein schlechter Witz. Vor genau 25 Jahren, am 9. November 1989, gewann das Volk der DDR seine Freiheit, nach 40 Jahren des Eingesperrtseins in einem totalitären System. Bei den berühmten Montagsdemonstrationen in Leipzig und anderswo hatten die Menschen unter anderem die „Reisefreiheit“ gefordert. Als dann am 9. November 1989 die Mauer in eine Million Stücke zersprang, waren auch die Ostdeutschen im Zeitalter der Mobilität angekommen. Unter ihnen, ein gewisser Claus Weselsky, ein Lokomotivführer aus einem Nest in Sachsen, aus der Region, die man damals das „Tal der Ahnungslosen“ nannte, da man dort im Gegensatz zum Rest der DDR aufgrund geographischer Gegebenheiten kein Westfernsehen empfangen konnte. 25 Jahre später beschließt eben dieser Claus Weselsky, mittlerweile Chef der Gewerkschaft der Lokomotivführer, dass genau dies der richtige Zeitpunkt sei, sich einen Platz im Guinessbuch der Rekorde für den längsten Bahnstreik in der Geschichte der Republik zu sichern. Bis zum nächsten Montag stehen wieder einmal die Züge still.

Offenbar von seiner eigenen Macht betrunken, gibt Weselsky seltsame Erklärungen ab, als führe er gerade den „letzten Kampf“ gegen den Kapitalismus. Dem ist aber nicht so. Weselsky führt keinen Kampf für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der GDL-Mitglieder und eine Gehaltserhöhung, sondern er führt einen ziemlich persönlichen Kampf um die Mitglieder der größeren Konkurrenz-Gewerkschaft EVG, den er auf dem Rücken der arbeitenden Bevölkerung austrägt. Sein Versuch, ohne Mandat auch im Namen von Arbeitnehmern zu verhandeln, ruft inzwischen auch die großen Gewerkschaftsverbände auf den Plan, die sich „entsetzt“ über das Vorgehen der GDL äußerten. Zu Recht. Denn dies ist kein Arbeitskampf, sondern ein Machtkampf. Und dafür wurde das Instrument des Streiks nicht erschaffen.

Dazu, auch das ist nicht unproblematisch, stößt sich der Streik in dieser Form an einem Grundrecht derer, die am meisten unter den Auswirkungen dieses Streiks zu leiden haben, dem Recht auf Mobilität der Berufspendler. Zehn- oder gar Hunderttausende Arbeitnehmer müssen für diesen maßlosen Streik Urlaubstage opfern, was weder fair noch solidarisch ist. Natürlich soll ein Streik wehtun, natürlich gibt es nie einen „guten Moment“ für einen Streik, aber den Menschen Millionen Urlaubstage abzunehmen, als eine Art ungefragt eingeforderter Solidaritätsbeitrag zum Machtkampf des Herrn W., das geht zu weit.

Zumal sich diejenigen täuschen, die meinen, dass die GDL es dem großen Kapital mal so richtig besorgt. Irrtum – dieser zweckentfremdete Streik hat zu der Gesetzesvorlage von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) geführt, die faktisch die Existenz kleinerer Gewerkschaften überflüssig macht. Dieser Entwurf kommt noch im Dezember in den Bundestag und angesichts der dort vorherrschenden Mehrheitsverhältnisse dürfte er in einem Rutsch durchgewunken werden.

„Ha!“, tönt es bereits aus GDL-Kreisen, „sollen sie nur! Dann gehen wir eben vors Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe!“ Klar, das Bundesarbeitsgericht hat bereits einmal für die Pluralität von Gewerkschaften und Tarifverträgen in den Unternehmen geurteilt. Doch offenbar hält die GDL mittlerweile alle Nicht-GDL-Mitglieder für bescheuert. Natürlich wird Andrea Nahles kleinere Spartengewerkschaften (wie die GDL) nicht verbieten, sie wird ihnen einfach in der Praxis den Boden unter den Füssen wegziehen und für dauerhafte Streitigkeiten zwischen den Gewerkschaften sorgen, wenn dann nur noch die jeweils größte Gewerkschaft in einem Unternehmen verbindlich für alle anderen verhandeln wird. So etwas kann durchaus verfassungskonform ausgearbeitet werden und viele kleine Gewerkschaften werden auf dem Altar der persönlichen Machtphantasien des Claus W. geopfert werden.

Die Bahn und selbst die Bundeskanzlerin drängten noch am Mittwochnachmittag darauf, dass beide Seiten einen Schlichter benennen sollten, um den Mammut-Streik noch im letzten Moment abzuwenden. Doch ebenso, wie sich Weselsky dem Vorschlag der EVG zu einer gemeinsamen Verhandlungsführung verweigerte, ebenso, wie er sich weigerte, mit der Bahn über den Inhalt des nachgebesserten Angebots zu verhandeln, so lehnte er lange vor Ablauf der hierfür gesetzten Frist (Mittwoch, 20 Uhr) auch eine Schlichtung ab. Was wiederum deutlich macht, wie sehr es Weselsky genießt, die Bundesrepublik in der Hand zu haben – ihm geht es weder um einen Abschluss, noch um die Verkürzung der Wochenarbeitszeit seiner Mitglieder, sondern wirklich nur darum, das Land dazu zu erpressen, dass er in Namen von Arbeitnehmern verhandeln darf, die ihn überhaupt nicht darum gebeten haben.

Der Gewerkschaftsbewegung als Ganzes und der GDL im Besonderen fügt Weselsky gerade einen kaum zu reparierenden Schaden zu. Sein Traum, seine kleine Gewerkschaft könnte sich zur führenden Gewerkschaft bei der Bahn entwickeln, mit Claus Weselsky an der Spitze, ist heute schon dabei, sich als Bumerang zu erweisen. Angesicht des völlig unverhältnismäßigen Schadens ist das keine Heldentat im Kampf gegen den Kapitalismus, sondern der Ausdruck dessen, dass sich Claus Weselsky völlig verrannt hat und weder über einen Plan B, noch über einen Ausgang aus der Situation verfügt, in die er sich, die GDL, aber eben auch ganz Deutschland manövriert hat.

Und so feiern wir alle zusammen den 25. Jahrestag der neu gewonnen Reisefreiheit für unsere Brüder und Schwestern in der ehemaligen DDR unter Hausarrest, verordnet vom Sachsen Weselsky. Ob das eine Art späte persönliche Rache für die nicht so glücklich verlaufene Wiedervereinigung sein soll?

Informationen bietet die Bahn unter der Servicenummer 0800-0996633 an – hier erfahren Sie, ob Sie zu den Glücklichen zählen, deren Züge im Rahmen des Notfallplans fahren.

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