Alles öko oder was? Alles logo mit Wittgenstein!

Ökonomie und Ökologie zu versöhnen, danach streben die Apologeten des Wirtschaftswachstums. Dabei genügt ein Blick auf die Website der Stadt Straßburg und ein bisschen Logik, um dieses Unterfangen als offenkundigen Unsinn zu entlarven.

Nichts kann den Fortschritt aufhalten. Oder so ähnlich... Foto: Strasbourg.eu

(Von Michael Magercord) – „Wenn ein Satz sinnlos ist, so ist nicht, quasi, sein Sinn sinnlos“, hat Ludwig Wittgenstein, der große Sprachlogiker, gesagt. Und dieser Satz steht auf der offiziellen Website der Stadt Straßburg: „Inauguration du corridor économique de l’Ostwaldergraben“, zu deutsch: „Einweihung des ökonomischen Korridors Ostwaldergraben“.

Es gibt also seit Juni einen Wirtschaftskorridor zwischen den Stadtvierteln Montagne-Verte und Ostwald, unmittelbar im Süden von Straßburg. Chapeau! Auf solche Ideen kommen sonst nur die Chinesen. Machen die gerade mit Pakistan über den Karakorum-Pass hinüber zum Indischen Ozean und von dort einmal quer durch Afrika ins ölreiche Angola. Und nun gibt so einen Korridor eben auch entlang am Osterwaldergraben – aber klar, Straßburg ist ja Eurometropole, da geht sowas. Der Satz macht also quasi Sinn.

Was aber soll das Foto unter dem Satz? Lila Stabblütler? Ökonomisch? Man weiß ja nie, heutzutage ist alles möglich. Ist sicher wieder so ein Wundergrünzeug, irgend eine von diesen neuen Rohstoffpflanzen, die für alles gut sind, fürs Tanken und bei Kranken. Und offensichtlich auch praktisch gelegen, direkt am Wasserstraßennetz, Transport in die weite Welt gesichert, malin, clever, typisch Straßburg eben. Doch dann das: Im Text unterm Bild ist plötzlich die Rede von einem „corridor écologique“. Ökologisch, nicht ökonomisch? Aber klar, stacheliges Gestrüpp, fauliger Bach: was mit Umwelt halt – macht also auch Sinn, quasi.

Derselbe Umstand, dazu zwei halbwegs sinnvolle Aussagen – doch macht das jetzt zusammen genommen auch noch Sinn? „‘Suche den A’ heißt nicht ‘Suche den B’, aber ich mag, indem ich beiden Befehlen folge, das gleiche tun“, hat Wittgenstein gesagt. Aus „N mache L“ folgt „mache M aus G“ – das jetzt hat Wittgenstein zwar so nicht direkt gesagt, aber irgendwer hat es in der Agitprop-Abteilung der Stadt Straßburg getan, doch warum?

Okay, das ist mir natürlich gleich aufgefallen: so’n olles Grünzeug und dann was mit Weltwirtschaft – das geht selbst in Straßburg nicht zusammen. Ein Buchstabenverwechsler also. Kann passieren, passiert mir ständig, darauf herumzureiten hat was von Korinthenkicker, äh: -kacker. Aber trotzdem hinter solch einem Fehler könnte vielleicht doch mehr stecken. Denn ein Buchstäbchen nur und es kann schon mal lustig werden – oder eben listig, also hinterlistig, sinnig quasi…

„Freud irrt sich gewiß sehr oft & was seinen Charakter betrifft, so ist er wohl ein Schwein oder etwas ähnliches, aber an dem, was er sagt, ist ungeheuer viel. Und dasselbe ist von mir wahr“, hat Wittgenstein gesagt, womit klar ist, dass Agitpropper immer zwei Botschaften zum Ausdruck bringen, eine bewusste und eben auch immer eine unbewusste, die sich hinter einem freudschen Versprecher verbirgt. Die bewusste Botschaft zuerst, sie lautet: Alles was „öko“ ist, lässt sich problemlos versöhnen. Wirklich? Machen wir also quasi als Sinntest die wittgensteinsche Probe aufs Exempel: ökologischer Aufschwung; ökonomischer Fußabdruck, ökologisches Wachstum; ökonomische Ökologie und so weiter und so fort – was hätte uns nun der große Logiker damit sagen wollen, wenn man schon zu seiner Zeit mit solchen Begriffen so freizügig umgegangen wäre?

„Was ich lehren will, ist: von einem nicht offenkundigen Unsinn zu einem offenkundigen Unsinn übergehen“, hatte Wittgenstein gesagt und voila: mission accomplie! Denn es ist offenkundig Unsinn, dass Öko gleich Öko ist. Es geht nicht, beides zu versöhnen, das eine gibt es nur auf Kosten des anderen, so oder so. Hoch oben auf dem Altar des einen wird das andere geopfert. Und wer dem anderen mehr als einen klitzekleinen Korridor im Ostwaldergraben schaffen will, muss endlich von dort oben das eine runterholen: das Wirtschaftswichstum!

Das ist es nämlich, was uns Dank Wittgenstein die beiden Sätze auf der offiziellen Website der Stadt Straßburg wirklich sagen wollen, unbewusst natürlich, aber dafür umso nachhaltiger. Und wer jetzt glaubt, dass es nun in diesem Artikel ebenfalls zu einem, dazu noch unanständigen Buchstabenhoppler gekommen sei, durch den uns ein I für ein A vorgemacht wird, dem sei gesagt: das geschah – ausnahmsweise – bei vollem Bewusstsein.

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