Alles so gut wie normal…

Der französische Premierminister Jean Castex wiederholt auf seiner Elsass-Tour ständig das neue Mantra: Wir stehen ganz kurz vor der Rückkehr zur „Normalität“. Aha.

Frankreichs Premierminister Jean Castex findet, dass die "Pandemie momentan unter Kontrolle" sei. Na dann... Foto: Florian DAVID / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Die Worte „normal“ und „Normalität“ sind offenbar das neue Mantra der französischen Regierung. Zumindest klingt es so, wenn der Regierungschef auf seiner Charme-Tour durchs Elsass bei jeder Gelegenheit erklärt, wie „normal“ doch schon bald wieder alles sein werde. Der Beginn des neuen Schuljahrs wird „so normal wie möglich erfolgen“ und überhaupt, „diese vierte Welle ist zu diesem Zeitpunkt unter Kontrolle“. Na dann.

Wie „normal“ der Beginn des Schuljahrs tatsächlich ist, bleibt fraglich. Es sei denn, man betrachtet das Tragen von Masken, das Durchführen von Tests und den „sanften Druck“ zur Impfung von Schulkindern als „normal“. Und wie weit diese vierte Welle unter Kontrolle ist, diese Frage sollte man lieber den Wissenschaftlern überlassen, die gerade angesichts des offenbar gegen Impfstoffe immunen Variants „Mu“ mehr als besorgt sind. Und auch gegen das Variant „Delta“ sind die Impfstoffe offenbar nur sehr begrenzt tauglich. Und ob rund 20.000 Neuinfektionen pro Tag als „normal“ zu bezeichnen sind, das sei auch dahingestellt.

Der Bevölkerung in einer solchen Situation zu suggerieren, man habe die Pandemie fast besiegt, ist grob fahrlässig, denn solche Aussagen mögen zwar den Wählern das Gefühl geben, die Pariser Zentralregierung habe das Virus quasi im Alleingang niedergerungen, doch führen sie gleichzeitig dazu, dass sich immer mehr Menschen unvorsichtig verhalten. Warum sollte man auch vorsichtig sein und sanitäre Maßnahmen einhalten, wenn der Regierungschef flockig erklärt, der Albtraum sei so gut wie vorbei und die „Normalität“ klopft schon wieder an die Tür?

Erstaunlich ist bei den Ansagen von Jean Castex, dass er selbst sagt, dass „die Pandemie ein medizinisches und kein politisches Problem“ sei. Da hat er Recht. Doch wenn ihm schon dieser Umstand klar ist, warum übt er sich dann so fleißig in „politischer Kommunikation“, vor allem, wenn diese die Menschen im Land geradezu in die Irre führt?

Nein, der Beginn des Schuljahrs ist weder für Schülerinnen und Schüler, noch für Lehrerinnen und Lehrer „normal“. Und die Pandemie ist alles, aber nicht vorbei. Dass ein führender Politiker in einer solchen Situation derartige Aussagen trifft, ist nicht nur fahrlässig, sondern hochgradig kontraproduktiv. Aber immerhin, diese Aussagen schenken dem Regierungschef einige seltene Glücksmomente – er sieht endlich mal wieder in lächelnde Gesichter. Der Preis für diese netten Momente ist allerdings ziemlich hoch…

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste