Als die BRD die DDR schluckte

Am 3. Oktober jährt sich zum 30. Mal die Eingliederung der ehemaligen DDR in die BRD. Doch der 3. Oktober war ein deutlich weniger spektakulärer Tag als der 9. November 1989.

Am 3. Oktober 1990 wurde überall in Deutschland gefeiert - aber wie am 9. November 1989 wurde es nie wieder. Foto: Bundesarchiv / Bild 183-1990-1003-012 / Settnik, Bernd / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Im Grunde war es eine Art feierlicher Verwaltungsakt, am 3. Oktober 1990, denn zu diesem Datum waren alle Entscheidungen über die Vereinigung beider deutscher Staaten längst gefallen. Bereits am 22. August 1990 stimmte die Volkskammer, das Parlament der DDR, mit großer Mehrheit (362 dafür, 62 dagegen, 7 Enthaltungen) für den “Beitritt zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes mit der Wirkung vom 3. Oktober 1990″, wie es damals im sperrigen Juristen-Deutsch hieß. Was den sieben Abgeordneten durch den Kopf ging, die sich der Stimme enthielten und offensichtlich keine Meinung zu dieser Frage hatten, werden wir wohl nie erfahren.

Also war der 3. Oktober 1990 nur noch der Tag des formellen Vollzugs der Wiedervereinigung und auch, wenn an diesem Tag überall in Deutschland Feste stattfanden, entstand nie wieder dieses historische Gefühl, dass jeder und jede Deutsche(r) am Abend des 9. November 1989 empfunden hatte, als entgegen aller Wahrscheinlichkeit die Mauer fiel und die friedliche Revolution in der DDR zum Erfolg wurde. Ja, könnte man sich da fragen, wieso ist dann der 9. November nicht der deutsche Nationalfeiertag? Die Antwort ist einfach und historisch begründet – am 9. November jährt sich jedes Jahr eines der füchterlichsten Ereignisse in der deutschen Geschichte, die Reichspogromnacht und damit ist dieses Datum denkbar ungeeignet für einen Nationalfeiertag.

Ist der 3. Oktober heute, 30 Jahre später, wirklich ein Grund zum Feiern? Ja und nein. Ja, denn die damaligen Akteure um Helmut Kohl, Michail Gorbatschow, François Mitterand, Maggie Thatcher und George Bush hatten nur einen kurzen Moment der Geschichte, um diese Vereinigung zu schaffen. Früher wäre dies nicht möglich gewesen, später aber unter Umständen auch nicht mehr. Insofern ist der 3. Oktober und die rechtliche Vollendung dieser Vereinigung ein Grund zum Feiern.

Gleichzeitig ist der 3. Oktober aber auch kein Grund zum Feiern, denn in 30 Jahren hat man es nicht geschafft, beide deutsche Staaten auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen und langsam dauert das zu lange. Nach 40 Jahren eines Unrechtregimes hat man es in 30 Jahren weder geschafft, „blühende Landschaften“ im Osten Deutschlands zu schaffen, noch die Gehälter anzugleichen, noch den Menschen in den neuen Bundesländern das Gefühl zu vermitteln, sie gehörten dazu. Die Nach-DDR-Zeit dauert inzwischen bereits drei Viertel so lange wie die ganze Zeit der Deutschen Demokratischen Republik und die Ungleichheiten zwischen alten und neuen Bundesländern werden zu einem Generationenproblem.

Die Entwicklung des Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern ist als eine Art Trotzreaktion der Bürger*innen der ehemaligen DDR zu werten, die sich, durchaus zu Recht, nach wie vor benachteiligt fühlen und dieses ungute Lebensgefühl treibt viele Menschen nationalistischen Extremisten in die Arme.

Es wurden bei der Wiedervereinigung viele Fehler gemacht, vor denen damals Akteure wie Oskar Lafontaine gewarnt hatten. Lafontaine hatte angeregt, sich mit der wirtschaftlichen Vereinigung Zeit zu lassen und diese sorgfältig zu planen und das wäre möglich gewesen. Stattdessen wurde ihm vorgeworfen, er wolle die Wiedervereinigung hintertreiben und alle wirtschaftliche Vorsicht wurde über Bord geworfen – der Westen schluckte den Osten und viele Westdeutsche machten sich auf den Weg, den Osten des Landes zu plündern. Angesichts der finanziellen Möglichkeiten der BRD hatte die DDR keine Chance – sie wurde geschluckt.

Es sollte nicht noch einmal 30 Jahre dauern, bis die Menschen in den alten und neuen Bundesländer angeglichene Lebensverhältnisse erleben. Hier ist nun die Politik gefordert, deutlich schneller zu agieren. Daran sollte man sich am 3. Oktober erinnern – denn die deutsche Einheit mag rechtlich vollendet sein, im „wirklichen Leben“ ist sie es noch lange nicht.

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