Am 9. November 1989 veränderte sich die Welt in Berlin

Am frühen Abend des 9. November 1989 dachten viele an einen Art schlechten Gag à la Orson Welles – bis wir dann verstanden, dass sich gerade der Eiserne Vorhang gelüftet hatte.

Ronald Reagan: "Mr. Gorbatchev, tear down this wall!" - und das passierte dann sensationellerweise auch. Foto: White House Photographic Office, ID C41244-9 / Wiki Commons / PD

(KL) – Ähnlich, wie bei anderen wichtigen historischen Ereignissen, wissen diejenigen, die den 9. November 2014 erlebt haben, ganz genau, wo sie waren und was sie gemacht haben, als plötzlich die Bilder aus Berlin über den Fernseher flimmerten. Die erste Reaktion auf die Bilder von auf der Mauer tanzenden Menschen, die dieses Symbol der Trennung und des kalten Hasses mit Hämmern und anderen Instrumenten in Stücke schlugen, war Unglauben. Und dann kam die reine Emotion.

Der Autor dieser Zeilen verbrachte den Abend des 9. November 1989 in den Niederlanden bei Freunden. Im Fernsehen lief eine Snookerpartie zwischen Steven Hendry und Jimmy White, als plötzlich ohne Ankündigung das Bild durch in Livebild aus Berlin ersetzt wurde. Ein kurzes Zappen durch die Kanäle ergab, dass dieses Livebild aus Berlin auf allen Kanälen lief – was den Verdacht eines Remake von Orson Welles „Krieg der Sterne“ nähert. Nach dem Motto: „Was wäre wenn“… Doch die Wirklichkeit hatte die Fiktion längst überholt.

Die nächste Reaktion war der Griff zum Telefon. Doch bereits 10 Minuten nach Beginn der Live-Schalte waren alle Flüge und Züge von Amsterdam nach Berlin auf Wochen ausgebucht – was schade war, denn in diesem Moment wäre wohl jeder gerne in Berlin gewesen. Dann kam die Emotion. Mit Tränen und allem, was dazu gehört.

Unsere Generation war mit einem festen Weltbild aufgewachsen, in dem es die Bösen (die Russen und deren Partner des Warschauer Pakts) und die Guten (die Amerikaner, die Europäer und uns) gab. Alles war ziemlich schwarz-weiß in diesem Weltbild und niemand hätte gedacht, dass sich an diesem Zustand jemals etwas ändern würde. Im Gegenteil – diejenigen, die sich in den Jahren der Trennung beider deutscher Staaten immer wieder für die Wiedervereinigung ausgesprochen hatte, wurden meist belächelt. Für uns war es eine unverrückbare Tatsache, dass es zwei deutsche Staaten gab und unser Weltbild wurde dadurch, dass sich diese Trennung zwischen Ost und West plötzlich aufhob, nachhaltig erschüttert.

Was wenige Jahre zuvor auf der Danziger Ursus-Werft unter Führung von Lech Walensa begonnen hatte, mündete im Berliner Mauerfall. Der Eiserne Vorhang war implodiert und der Wunsch der Menschen nach Freiheit und Bürgerrechten war stärker als die Jahrzehnte totalitärer Systeme.

Doch war nach einem echten Happy End klingt, war natürlich keines. Die Wiedervereinigung führte zu zahlreichen, tragischen Einzelschicksalen in der ehemaligen DDR – immerhin hatte das System der DDR einen Überwachungsstaat aufgebaut, in dem 2/3 der Bevölkerung direkt oder indirekt staatstragend zu wirken hatten und die Gehirnwäsche der Menschen begann bereits im Vorschulalter. Viele Bürger der DDR hatten große Schwierigkeiten, sich auf das Leben im kapitalistischen Westen einzustellen und blieben auf der Strecke. Hohe Arbeitslosigkeit, große Unterschiede im Lebensstandard zwischen Ost und West, der Verlust von Status, Arbeit und Identität wurde zu einem Problem für viele Menschen im Osten der neuen Republik.

Diese Wunden verheilen nun langsam, wobei die Betonung auf dem Wort „langsam“ liegt. Denn noch sind wir weit von den „blühenden Landschaften“ entfernt, die Helmut Kohl einst den Menschen in der DDR versprochen hatte.

Bis diese deutsche Vereinigung wirklich vollzogen ist, müssen wir wohl noch einmal 25 Jahre warten. Doch trotz aller Unzulänglichkeiten und Fehler bei der Umsetzung dieser Vereinigung muss man den Hut vor den mutigen Politikern dieser Generation ziehen, die gemeinsam die vermutlich einmalige Gelegenheit nutzten, den Eisernen Vorhang abzubauen. Dass dabei Fehler gemacht wurden, ist verständlich und ändert nichts daran, dass die Auswirkungen auf Deutschland, Europa und die Welt positiv waren und sind.

Man sollte an dieses historische Ereignis denken, wenn man heute laut fordert, den Osten Europas zu isolieren und einen neuen „Kalten Krieg“ vom Zaum zu brechen. Unrechtsregime können innerhalb von Wochen aufgebaut werden – sie zu beseitigen, dauert Jahrzehnte. Man darf gespannt sein, wie Deutschland und Europa am 9. November 2039 aussehen.

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