An der Griechenlandkrise entscheidet sich die Zukunft Europas

Es ist wie in einer klassischen griechischen Tragödie: Es gibt die Guten, die Bösen, die Listigen, die Strategen – dabei geht es um das Schicksal von Millionen Menschen.

Wir dürfen uns mit den Griechen in deren Kampf um ein würdevolles Leben nicht desolidarisieren. Gerade wir Deutschen nicht. Foto: Ggia / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Vertagt. Keine Entscheidung. Aber Optimismus. Der Sondergipfel in Brüssel am Montag, angekündigt als der „Tag der Entscheidung“, hat keine Entscheidung gebracht. Er war nur ein weiteres Steinchen auf dem Weg hin zur europäischen Götterdämmerung, ein Treffen, auf dem alle Beteiligten versuchten, ein Stückchen in ihrer Richtung weiter zu kommen. Doch dass es um viel mehr als die Frage geht, ob die internationalen Banken rechtzeitig ihr Geld bekommen, haben noch nicht alle verstanden. In der Zwischenzeit wird munter an den Börsen gezockt – es ist wie der Tanz um das goldene Kalb.

Klar wird jedoch, dass die EU unter Führung von Angela Merkel und ihrem französischen Kollegen François „Sancho Pansa“ Hollande, sowie den Herren Dijsselbloem und anderen versucht, gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen – sie wollen Griechenland zurück in die Disziplin und Logik der internationalen Finanzmärkte führen und gleichzeitig für das Scheitern der Regierung von Alexis Tsipras und der Syriza sorgen. In beiden Bereichen sieht es so aus, als würden sie Erfolg haben. Aber, um in der Bilderwelt der Tragödie zu bleiben, ist es ein „Erfolg“, wenn sich die „Bösen“ durchsetzen?

Die Maßnahmen, die Griechenland akzeptieren muss, um den Zusammenbruch des öffentlichen Lebens zu verhindern, stehen in krassem Gegensatz zu der Politik, die Tsipras eigentlich führen will. Unter dem Druck der Erfüllungsgehilfen der Finanzmärkte muss er die Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel erhöhen, muss die letzten Unternehmen stärker besteuern, die noch Geld verdienen (nämlich im Tourismus) und letztlich dafür sorgen, dass sich sein Land nicht mehr erholen kann. Den längst fälligen Schuldenschnitt verhindern die tapferen Verfechter der Austerität – denn der könnte ja dafür sorgen, dass Griechenland wieder in die Gänge kommt und am Ende, was für ein Horrorszenario!, eine linke Regierung tatsächlich Erfolg hätte.

Schon vor den Wahlen in Griechenland hatten die EU-Oberen nichts unversucht gelassen, die Griechen dahin gehend zu manipulieren, auf keinen Fall für die Syriza zu stimmen – diese Einmischung in die Innenpolitik Griechenlands zeigte deutlich, worum es der EU wirklich geht. Man stelle sich vor, im deutschen Wahlkampf würden führende griechische Politiker markige Aufrufe an die CDU-Wählerschaft richten und ihr Not und Elend versprechen, sollten die Menschen für Angela Merkel stimmen. Nach den Wahlen ließ die EU nichts unversucht, Tsipras unter Druck zu setzen und nun setzt man in Brüssel alles daran, einen Keil zwischen Tsipras und seine Parteibasis zu treiben, indem man ihn zwingt, Dinge zu akzeptieren, die das genaue Gegenteil seiner am Menschen orientierten Politik sind. Es zeichnet sich ab, dass die mörderischen „Hilfsmaßnahmen“ im griechischen Parlament kaum eine Mehrheit finden werden und dass es folglich zu einer Regierungskrise und Neuwahlen kommen könnte. Man hört schon fast Wolfgang Schäuble gehässig kichern…

Die linientreuen Medien tragen ihren Teil dazu bei. Schlagworte wie „die Griechen wollen schlemmen, die deutschen Steuerzahler sollen bezahlen“ heizen die Stimmung mit völlig verzerrten Bildern weiter an. In Griechenland schlemmen nur noch die Superreichen, also diejenigen, die bereits unter Samaras und früher prächtige Geschäfte mit der EU gemacht haben. Die einfachen Menschen in Griechenland schlemmen schon lange nicht mehr. Für die einfachen Menschen in Griechenland ist bereits die medizinische Versorgung zusammengebrochen, die Menschen leiden.

Interessant ist die in Griechenland diskutierte Frage der Rechtmäßigkeit der alten Kredite. Denn um ihre Rüstungs- und anderen Deals zu finanzieren, haben die Finanzmärkte Griechenland Kredite gewährt, die nach dem gesunden Menschenverstand gar nicht hätten gewährt werden dürfen. Wieso müssen Banken und Finanzorganisationen nicht ihr eigenes „kaufmännisches Risiko“ dafür tragen?

Auch heute hat sich nicht viel an der Situation geändert – alleine ein Schuldenschnitt und ein Neuanfang würden den Menschen in Griechenland helfen. Alles andere sind politische Manöver, mit denen bewiesen werden soll, dass Länder, die für eine neue, „linke“ und soziale Politik stimmen, dem Untergang geweiht sind. Ja, es ist die Götterdämmerung – doch es ist nicht die Götterdämmerung Griechenlands, das in den Jahrtausenden noch jeden Sturm überlebt hat, es ist die Götterdämmerung einer Generation von Politikern, die sich seit Jahren am Handlauf eines historischen Irrwegs festklammern, weil ihnen die Phantasie fehlt sich vorzustellen, dass man Politik nicht nur zum Wohle einiger Superreicher, sondern aller Menschen führen kann. Die gute Nachricht – diese Generation des politischen Versagens hat nicht mehr viel Zeit. Nach ihnen kann es eigentlich nur noch besser werden.

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