And the winner is… die Chinatown von New York!

Der Fotopreis des Architekturhauses Oberrhein bei den „Tagen der Architektur“ geht dieses Jahr an den Amerikaner Franck Bohbot.

In der Galerie LA CHAMBRE in Straßburg kann man die Werke des diesjährigen Fotopreisträgers der Architekturtage bewundern. Foto: La Chambre / Facebook

(Von Michael Magercord) – Einmal mehr, wenn es um fotografierte Stadtbilder geht, ist Manhattan einfach unschlagbar. 166 Fotografen aus 15 Ländern haben sich um den diesjährigen Preis für Architekturfotos beworben, gewonnen hat den „Archifoto 14“ der US-Amerikaner Franck Bohbot mit einer Serie aus der Chinatown von New York.

Als am letzten Freitag der Preisträger in der Straßburger Fotogalerie „La Chambre“ bekanntgegeben wurde, war der Juror Christian Plisson selbst erstaunt über die dort ausgestellten Bilder. Allerdings nicht nur über die nächtlichen Ansichten von den mit chinesischen Schriftzeichen gesäumten Straßenschluchten zwischen Hoch- und nicht ganz so hohen Häusern, sondern über die Architektur in der Fotografie.

Das Motto des Wettbewerbs lautete „Die Farben der Architektur“, doch was ist nun zu sehen? Karge Häuserwände, Ruinen einstiger architektonischer Prachtbauten, das Interieur einer Moschee mit farbigen Teppichen, nordische Landschaften mit einfachen Holzbauten oder eine typisch deutsche Vorortsiedlung zu erkennen an den Waschbetonfassaden der 70er Jahre. Alles aufgenommen in größter technischer Präzision, die einen Abstand zum Objekt schafft – so richtig warm mit der Architektur wird man jedenfalls beim Betrachten der Bilder nicht.

Fast schon erschrocken zeigte sich Christian Plisson, der das Architekturbüro Mongiello & Plisson in Colmar betreibt, darüber, dass auf all den Fotografien keine Menschen zu sehen sind. Erahnen lassen sie sich immerhin auf den Siegerfotos von Franck Bohot, denn wenigstens aus den Wohnungen strahlt etwas Licht, das für ein wenig Wärme sorgt. Und zudem vermisste der Juror auf den Fotos die neue Architektur, die Neubauten aus jüngster Zeit. Stattdessen vermitteln alle im La Chambre ausgestellten Fotos eine tiefe Melancholie, die durch die Abwesenheit der Menschen noch verstärkt wird.

Doch ist diese Melancholie nicht auch das heimliche Grundgefühl der Moderne? Das Lebensumfeld wandelt sich gerade durch architektonische Eingriffe so rasant, dass man schon für das Heute nostalgisch werden kann – und was ist dann Melancholie anderes, als eine Nostalgie für das gerade noch Gegenwärtige, das aber schon im Verschwinden begriffen ist?

Das Kommende und Werdende kann man hingegen auf den Reißbrettzeichnungen von Planungsbüros sehen, die heutzutage alle aus dem Computer kommen. In Straßburg gibt es derzeit besonders viele dieser noch melancholiefreien Aufrisse von Traumorten zu betrachten, die sich bereits am Ende dieses Jahrzehnts vom Rand der Innenstadt wie ein Band entlang an der neuen Straßenbahnlinie nach Kehl bis zum Rheinufer erstrecken werden. Und in den Hochglanzbroschüren sind sie dann auch zu sehen: all die fröhlichen Menschen, die spielenden Kinder, die Tätigen und Müßiggänger auf den feinsäuberlich modellierten Plätzen zwischen kantigen Neubauten.

Wer sich aber zuvor doch noch einmal in Nostalgie ergehen möchte, der hat im La Chambre noch bis zum 30. November Zeit, die Fotos des Gegenwärtigen zu betrachten.

Und wer jetzt schon wissen will, in welchem Umfeld er einstmals wandeln wird, kann sich beim 14. Festivals der „Tage der Architektur“ in Basel, Baden und im Elsass noch bis 26. Oktober bei etlichen Vorträgen, Ausstellungen, Filmvorführungen, Radtouren, Wettbewerben, Kolloquien, Besichtigungen und in Workshops schon jetzt einen Überblick über die Melancholie-Potentiale des Zukünftigen verschaffen.

LA CHAMBRE

4 place d’Austerlitz – Strasbourg

von Mittwoch bis Sonntag von 14 bis 19 Uhr

Eintritt frei

Das Programm der Architekturtage Oberrhein gibt es unter www.ja-at.eu/de.html

 

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