Angela Merkel gefährdet die europäische Demokratie

Alles sollte eigentlich einfach sein. Das Europäische Parlament hat Jean-Claude Juncker mit der Bildung einer Mehrheit beauftragt. Angela Merkel ist das egal.

Monatelang hing sie auf den Wahlplakaten herum - dabei hatte sie nie vor, die Stimmen der Europäer zu respektieren. Foto: © Kai Littmann

(KL) – Wer solche Freunde hat, der braucht keine Feinde mehr, muss sich Jean-Claude Juncker am Dienstagabend gedacht haben, nachdem sich der Europäische Rat hinter verschlossenen Türen (so funktioniert’s halt in Brüssel…) getroffen hatte und Angela Merkel in blumigen Worten erläutert hatte, dass ihr das Votum der Europäer ziemlich egal sei – entgegen der Zusicherung, dass die neue Mehrheit im Parlament den mächtigen Kommissionspräsidenten stellen wird, schwadronierte die deutsche Kanzlerin von einem „breiten Personaltableau“, was übersetzt bedeutet: „Ich habe jede Menge Optionen, wen ich zum Kommissionspräsidenten machen will. Ich überlege jetzt mal, was mir am besten passt und sage euch das dann.“ Langsam versteht man die Wahlboykottierer.

Das Treffen in Brüssel, das einer der teilnehmenden Außenminister als „erbärmlich“ bezeichnete, könnte eines Tages in den Geschichtsbüchern stehen. Als der Tag, an dem sich eine inkompetente Politikerkaste so weit von den Europäern entfernte, dass die sich wiederum so weit von Europa entfernten, dass dieses großartige Konzept endgültig zusammenbrach. Dabei müsste die deutsche Kanzlerin nur das tun, was sie am besten kann: gar nichts.

Doch wenige Tage nach der insgesamt desaströsen Europawahl haben diejenigen, die für die aktuelle und im Prinzip in den Augen der Menschen gescheiterte Europapolitik die Verantwortung tragen, schon längst einen Haken hinter die Wahl gemacht und versuchen nun, die Situation für ihre innenpolitischen Zwecke zu missbrauchen.

In vorderster Front ist dabei wie immer David Cameron, der wohl schlechteste Europäer an der Spitze des Inselkönigreichs – selbst Margaret Thatcher, unter der viele ihrer europäischen Kollegen zu leiden hatten, war am Ende des Tages Europa positiver gegenüber eingestellt als David Cameron. Diesem passen beide Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten nicht und er will mit entscheiden, wer es am Ende wird. Cameron sollte in Europa gar nichts mehr zu entscheiden haben. Nur sollte er endlich den Mut aufbringen, nicht nur ständig von einem Referendum zum EU-Austritt zu reden, er sollte es endlich durchführen. In der EU würden wir nämlich lieber die Schotten, überzeugte Europäer, statt den Briten sehen, die in Europa bei nichts dabei sind, aber alles entscheiden wollen. Und deren Spitzenpersonal selbst im eigenen Land als so inkompetent gilt, dass die Briten lieber den Clown Farage wählen als David Cameron.

Angela Merkel überspannt gerade den Bogen. Monatelang lächelte sie milde von den Wahlplakaten herab, obwohl sie gar nicht bei den Europawahlen kandidierte und ließ die Menschen im Glauben, dass diese tatsächlich nicht nur das neue Parlament, sondern auch den neuen Kommissionspräsidenten wählen würden. Was die deutsche Kanzlerin, die Europa als eine Art Müllhalde für von ihr verspeiste politische Konkurrenten zu betrachten scheint, allerdings nie geplant hatte. Ihr Plan ist viel einfacher: „Ich entscheide, wer in Europa was wird.“

Der Verrat an ihrem Parteifreund Jean-Claude Juncker, mit dem sie nie klar gekommen ist, passt gut zum Machtmenschen Angela Merkel. Doch den Verrat an den Europäerinnen und Europäerin wird ganz Europa teuer bezahlen. Denn wenn der Graben zwischen Politik und Zivilgesellschaft bereits riesig war, sprengt Angela Merkel nun die letzten verbindenden Brücken.

Warum die Kanzlerin jetzt aber ein Armdrücken mit dem Europäischen Parlament beginnt, ist nur schwer zu verstehen, denn selbst ein von Angela Merkel handgepflückter Kandidat muss ebenfalls vom Parlament bestätigt werden, was das gerade erst von ihr ausgehebelte Parlament nicht tun wird.

Dies ist vielleicht das größte Problem von Angela Merkel – sie hat keine kompetenten Berater mehr um sich herum, sondern nur noch hoch bezahlte Kopfnicker und bezahlte Beifallklatscher. Da sie die dumme Angewohnheit hat, alle denkenden Köpfe in ihrem Umfeld weg zu beißen, fehlen ihr nun die Berater, die sie darauf hinweisen, dass sie gerade aus persönlichem Machtkalkül heraus dabei ist, die europäische Demokratie ad absurdum zu führen.

Wir schreiben das Jahr 2014. Die Politiker in den europäischen Ländern sind überwiegend inkompetent, zum Teil korrupt und stellen die größte Gefahr für Europa dar. Und während sie alle überlegen, was sie idealerweise für sich selbst herausholen können, schwebt über Europa schon wieder ein dunkler Schatten. Ein Schatten, den diese furchtbare Politikergeneration selbst heraufbeschworen hat. Es gibt Tage, an denen kann man gar nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte.

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