Angela Merkel und François Hollande wollen Zeichen setzen

Heute werden die Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident François Hollande vor dem Europäischen Parlament in Straßburg sprechen. Erwartet werden grundsätzliche Aussagen zur Flüchtlingskrise.

Hier werden heute Angela Merkel und François Hollande eine mit Spannung erwartete, gemeinsame Rede halten. Und versuchen, Europa auf eine gemeinsame Linie zu bringen. Foto: Claude Truong-Ngoc / Eurojournalist(e)

(KL) – Das wird heute spannend in Straßburg. Nicht nur, dass der Verkehr in der Europahauptstadt zum Besuch der Bundeskanzlerin unbd des französischen Präsidenten ab der Mittagszeit zum Erliegen kommen wird, nicht nur, dass die Sicherheitsvorkehrungen beeindruckend sein werden, nein, dieses Mal geht es um Inhalte. Denn, wie aus Berlin verlautete, wollen beide „Zeichen setzen“ und die Europäische Union auf eine gemeinsame Linie zum Thema der Aufnahme von Flüchtlingen bringen.

Der deutsch-französische Auftritt vor den gewählten Vertretern aller 28 EU-Mitgliedsstaaten könnte bemerkenswert werden. Denn Frankreich und Deutschland haben zuletzt gemeinsam vollständig die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini abgemeldet – die italienische „EU-Außenministerin“ glänzt ebenso wie ihre Vorgängerin Catherine Ashton durch unauffällige Abwesenheit, während Frankreich und Deutschland beispielsweise im „Normandie-Format“ alle erdenklichen Anstrengungen unternehmen, um gemeinsam mit der Ukraine und Russland den Konflikt im Donbass zu lösen. Warum sollte das deutsch-französische Tandem es nicht auch schaffen, Europa in eine gemeinsame Blickrichtung zum Thema der Flüchtlinge zu bewegen?

Das letzte Mal hatte die Bundeskanzlerin am 7. November 2012 vor dem Europäischen Parlament (damals in Brüssel) gesprochen, doch dieses Mal dürfte der gemeinsame Auftritt mit François Hollande deutlich schwieriger werden. Denn Angela Merkel ist durch ihre humanistische Haltung und vor allem durch die spontane Aufnahme Zehntausender Flüchtlinge aus Ungarn, wo diese unglaublichen Drangsalierungen ausgesetzt waren, ins Fadenkreuz ihrer politischen Freunde und Feinde im In- und Ausland geraten. Der Vorwurf, den man ihr macht, lautet, sie habe Flüchtlingen „Anreize“ geboten, nach Europa zu kommen.

Das ist zwar völlig falsch, denn die Flüchtlinge haben sich nicht aufgrund der Haltung Angela Merkels auf den Weg nach Europa gemacht, sondern um vor Krieg, Bürgerkrieg, religiöser und politischer Verfolgung zu flüchten, doch den nationalistischen Populisten ist das egal. Und von diesen werden heute etliche im Sitzungssaal des Europäischen Parlaments sitzen und den beiden Gästen nicht unbedingt einen herzlichen Empfang bereiten.

Angela Merkel und François Hollande müssen sich dabei zunächst beide gegen Kritik aus dem eigenen Land wehren. Während Hollande in Frankreich mühsam gegen den immer stärker werdenden Front National und dessen menschenverachtende Parolen ankämpfen muss, hat es Angela Merkel in Deutschland mit Seehofer, Söder, der „Pegida“ und inzwischen sogar eigenen Parteimitgliedern und Teilen der SPD zu tun, die alle zusammen die humanistischen Werte über Bord geworfen haben und nur noch von Zäunen, Mauern und Gesetzen im Schnellverfahren reden, mit denen Deutschland für Flüchtlinge so unattraktiv wie möglich gemacht werden soll.

Insofern geht es für beide vor dem Europäischen Parlament um viel – nämlich darum, die Kritiker im eigenen Land verstummen zu lassen und die europäischen Partner auf eine gemeinsame Linie zu führen – was mit Ländern wie Ungarn, der Slowakei, der Tschechischen Republik, Rumänien, Polen, den baltischen Staaten, Großbritannien und anderen alles andere als einfach werden dürfte. Doch Angela Merkel lässt sich offenbar nicht beirren: „Ich glaube, dass François Hollande und ich gemeinsam deutlich machen werden, dass wir eine Wertegemeinschaft sind, dass wir eine Gemeinschaft der Solidarität sind, die sich Aufgaben auch fair teilen muss“. Das zumindest wird die gemeinsame Botschaft sein, für die beide höchstwahrscheinlich nur höflichen Beifall erhalten werden, falls es nicht gleich zu Pfiffen kommt.

Wer hätte gedacht, dass wir einmal Angela Merkel und François Hollande beide Daumen drücken, damit sie mit ihrer deutsch-französischen Botschaft der Humanität nicht auf taube Ohren stoßen…

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