Angst vor dem eigenen Schatten?

Wie viele französische Wähler werden wohl daran glauben, dass Strauchtomaten lang und grün sind? Foto: Sönke Rahn / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Seine Partei umzubenennen ist in Frankreich eine beliebte Methode für Parteien, mit der eigenen Vergangenheit abzuschließen und den Wählerinnen und Wählern zu suggerieren, man sei jetzt jemand ganz anderes. Abgesehen davon, dass man auch daran erkennt, dass französische Parteien die Wählerinnen und Wähler für ausgemachte Idioten halten, täuschen sich die Parteien höchstens selbst. Das dafür aber gründlich.

So benannte die Rechtsextreme Marine Le Pen ihre Partei „Front National“ in „Rassemblement National“ um, also von „Nationaler Front“ zu „Nationaler Sammelbewegung“, weil das irgendwie netter und weniger martialisch klingt. Und nun also Emmanuel Macron, der immerhin gemerkt hat, dass ihn bei der kürzlichen Präsidentschaftswahl mehr als zwei Drittel der Wahlberechtigten nicht gewählt hatten und der nun um seine Mehrheit im Parlament zittern muss, das am 12. und 19. Juni neu gewählt wird. Doch die Chancen für seine Partei stehen schlecht, bei der Parlamentswahl muss niemand für seine Partei stimmen, um die Machtübernahme durch die Rechtsextremen zu verhindern. So steht für Macron zu befürchten, dass seine Kandidaten und Kandidatinnen der LREM, des MoDem, der PRG und anderer Grüppchen die Quittung für die letzten 5 Jahre „Macronie“ erhalten und heftig scheitern werden.

Also macht man aus „Raider“ jetzt „Twix“, beziehungsweise aus „La République en Marche“ eben „Renaissance“. Der Name ist allerdings sehr unglücklich gewählt, denn wenn sich eine Partei nach nur 5 Jahren ihrer Existenz bereits zur Wiedergeburt bereit machen muss, weil sie in diesen 5 Jahren derart viel versemmelt hat, dann ist das nicht gerade ein Grund, sie zu wählen. Und „Wiedergeburt“ bedeutet ja, dass erstmal jemand sterben muss, damit er wiedergeboren werden kann. Ist das etwa schon der Offenbarungseid der Präsidentenpartei.

Im Grunde ist diese Umbenennung völlig überflüssig, denn unter Macron hat seine eigene Partei ohnehin nichts zu melden, die Abgeordneten dienen lediglich dazu, das eine oder andere Gesetzesvorhaben abzunicken, das der Präsident gnädigerweise mal nicht per Dekret und am Parlament vorbei entscheiden lässt. Das ging so lange gut, wie LREM die Mehrheit in der Assemblée Nationale hatte, was aber nach dem 19. Juni höchstwahrscheinlich nicht mehr der Fall sein wird.

Nachdem eine Mehrheit der Franzosen bei der Stichwahl der Präsidentschaftswahl mit Bauchschmerzen für den Amtsinhaber gestimmt hatte, weil rechts von ihm noch Schlimmeres drohte, werden nun seine Abgeordneten die Quittung für seine höchst arrogante Amtsführung erhalten und das LREM oder jetzt „Renaissance“ die Verankerung in lokalen und regionalen Parlamenten fehlt, versucht Macron seine Truppe jetzt als etwas ganz Neues zu präsentieren, doch darauf wird wohl niemand mehr hereinfallen. Wie „neu“ diese Partei ist, erkennt man daran, dass der Präsident höchstpersönlich die Ernennung der Kandidatinnen und Kandidaten übernimmt, was ihm ermöglicht, seine treuesten Vasallen in Wahlkreise zu setzen, von denen er annimmt, dass seine Partei dort eine Chance hat. Die anderen Parteien, denen man auch eine Menge Versagen vorwerfen kann, bestimmen ihre Kandidaten und Kandidatinnen auf demokratische Weise, indem sie von ihren Ortsverbänden gewählt und nicht etwa vom „Sonnenkönig“ bestimmt werden. Daran, dass Macron alleine entscheidet, was in seiner Partei passiert, hat sich also gar nichts geändert.

Bemerkenswert ist allerdings, dass es heute als „Malus“ empfunden wird, wenn ein Kandidat unter den Farben seiner Partei antritt. Das deutet darauf hin, dass man in den Parteizentralen verstanden hat, dass man selbst das Problem, und nicht etwa die Lösung ist. Aber so weit zu denken, sich als Partei tatsächlich zu reformieren, dazu langt es dann leider doch nicht. Und so werden die Parteien auch weiterhin versagen, so lange, bis irgendwann eine extremistische Formation in Frankreich das Ruder übernimmt. Was dann niemanden mehr überraschen kann. Außer den Parteien selbst.

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