Anleitung: Wie man eine Staatskrise organisiert

Die französische Regierung zieht in der „Affäre Benalla“ alle Register. Aus einem individuellen Fehlverhalten einer Person zimmert sich das „Team Macron“ eine handfeste Regierungskrise.

Nach seiner politischen Karriere könnte Macron als Zahnpasta-Model arbeiten... Foto: DonkeyHotey / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Ist es die politische Unerfahrenheit? Ist es politische Arroganz? Hat der französische Präsident Emmanuel Macron keine Berater? In der Affäre rund um seinen prügelnden und amtsanmaßenden Leibwächter Alexandre Benalla hat die Regierung in Paris so ziemlich jeden Fehler gemacht, den man begehen kann. Es wäre ein Leichtes gewesen, den Mann zu entlassen und der Gerichtsbarkeit ihren Lauf zu lassen und die Affäre wäre nicht einmal eine Affäre geworden. Doch durch ihr mehr als ungeschicktes Verhalten hat die französische Regierung dafür gesorgt, dass das Vertrauen der Franzosen in ihren neuen Präsidenten mehr als erschüttert ist.

Tage, nachdem Le Monde die Affäre ins Laufen gebracht hatte, bequemte sich Präsident Macron zu einer Erklärung. Nicht etwa vor seinen Landsleuten („Ja, reden die überhaupt davon?“), sondern vor ein paar ausgewählten Parteigängern, vor denen er sich als Halbstarker gerierte: „Es gibt einen Verantwortlichen und der steht vor Ihnen. Sollen sie mich doch holen kommen!“. Dass es überhaupt so weit kommen konnte, lag daran, dass sein Innenminister, der Polizeipräfekt und alle anderen Personen, die vor dem Untersuchungsausschuss befragt wurden, offenbar auf „Anweisung von oben“ die Unwahrheit sagten. Und das wiederum führte zu der Frage, die sich heute alle Franzosen stellen: „Was weiß Alexandre Benalla, damit der Präsident und dessen ganze Verwaltung alles daran setzen, die Wahrheit zu vertuschen? Und – was für eine Wahrheit wird dort vertuscht? Was weiß Alexandre Benalla, dass ihn die Regierung trotz seines offensichtlichen Fehlverhaltens schützt?“

Ärgerlicherweise nutzt die französische Regierung diesen Vorfall, um dem französischen Volk deutlich zu zeigen, dass die demokratischen Spielregeln in Frankreich für alle gelten, nur nicht für den Präsidenten. Der handelt mittlerweile in völlig abgehobenen Sphären, geblendet von seinem vermeintlichen eigenen Glanz und langsam, aber sicher, merken auch die Franzosen, dass bei Macron hinter dessen politischer Kommunikation vor allem eines steht: gähnende Leere und eine völlige Missachtung der demokratischen Institutionen.

Der Zwischenfall hatte sich am 1. Mai ereignet, als Alexandre Benalla sich unberechtigterweise Polizeiinsignien besorgte und bei einer Demonstration mit großer Brutalität Demonstranten zusammenschlug. Die entsprechenden Beweisvideos lagen dem Innenminister bereits am Folgetag vor, doch statt zu reagieren und Benalla zu entlassen, versuchte der Elysee-Palast wochenlang, seine schützende Hand über den Staatsschläger zu halten. Doch warum?

Auf Antworten werden die Franzosen lange warten müssen. Nachdem angesichts der offensichtlich manipulierten Aussagen im Untersuchungsausschuss und der Weigerung der Vorsitzenden den Präsidenten zu laden, die Opposition aus Protest den Ausschuss verlassen hat, wird dieser keinerlei Licht in die Affäre bringen. Diese klebt nun wie ein Makel an der weißen Weste des Präsidenten und Macron wird es schwer haben, das Vertrauen seiner Landsleute zurückzugewinnen. Denn dazu müsste er grundlegend sein Verhalten ändern, doch seit wann ändert der Chef des Olymp, der sich selbst gerne als „Jupiter“ bezeichnet, sein Verhalten? In Frankreich ticken bereits die Uhren: noch vier Jahre bis zur nächsten Präsidentschaftswahl. Vier Jahre, die lang werden könnten…

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