Armut bekämpfen statt sie zu verwalten

Es gibt immer mehr Modelle für ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Bürgerinnen und Bürger. Die Angst, dass dadurch ein Heer an Faulpelzen erschaffen wird, ist unbegründet.

Wer am Boden der Gesellschaft angekommen ist, kann seine Menschenrechte nicht mehr wahrnehmen. Foto: Dale Yudelman / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – „Wer seine Menschenrechte wahrnehmen will, braucht dafür eine materielle Grundlage“, schreibt der frühere Wirtschaftsprüfer Brüne Schloen in seinem Buch „Grundeinkommen und Menschenwürde“ und rechnet vor, dass man jedem Bürger und jeder Bürgerin ein bedingungsloses Grundeinkommen von 1500 € zugestehen könnte. Auch andere Experten machen sich für ein solches Modell stark, das eine fundamentale Änderung unserer Gesellschaft zur Folge hätte. Die Frage, ob ein solches Modell eingeführt werden kann oder nicht, ist eigentlich nicht so sehr eine Frage der Finanzierbarkeit, sondern des politischen Willens. Und der ist offenbar nicht vorhanden.

Schon Bertold Brecht wusste es – „Und weil der Mensch ein Mensch ist, drum braucht er was zu fressen, bitte sehr…“. Doch Armut ist ein gesellschaftliches Phänomen, das denjenigen, die es nicht betrifft, gut in den Kram passt. Denn Bürgerinnen und Bürger, die sich vor Armut fürchten, sind willfähriges Wahlvolk, mupfen nicht allzu sehr auf und lassen sich prächtig manipulieren. Denn Armut ist nach wie vor ein Stigma, das die Betroffenen nicht etwa offensiv nach außen tragen, sondern das sie schweigend in ihrer kleinen Wohnung ertragen. Nur nicht auffallen. Was könnten die Nachbarn denken?

Doch Armut ist teuer. Sozialleistungen kosten die Bundesrepublik Deutschland Jahr für Jahr eine runde Billion (!) Euro, wobei gleichzeitig auch rund ein Fünftel der deutschen Bevölkerung in die Ecke von Sozialschmarotzern gestellt wird. Arme Menschen werden überwacht, kontrolliert und gerne auch sanktioniert, beispielsweise durch die Streichung der ohnehin nicht üppigen Sozialleistungen. Doch dieser „Armuts-Apparat“ kostet nicht nur richtig viel Geld, er ist auch ziemlich ineffizient, denn „Hartz IV“ ist heute keine Zwischenstation mehr auf dem Weg zu einer Verbesserung der Lebensumstände, sondern die Endstation.

Das bedingungslose Grundeinkommen ließe sich, da sind sich viele Experten einig, über eine Transaktionssteuer der Finanzmärkte finanzieren. Dadurch würden zwar die Gewinne der Finanzmärkte etwas geschmälert werden, aber das wäre am Ende des Tages nur gerecht. Allerdings setzt ein solches Vorgehen vor allem eines voraus – den Willen der politisch Handelnden. Und der fehlt.

Die Beispiele aus Ländern, die ein bedingungsloses Grundeinkommen als Pilotprojekt getestet haben, zeigen, dass die Sorge, dass dann niemand mehr arbeiten würde, unbegründet ist. Der Menschen ist ein Wesen, das für sein Leben einen Sinn braucht und vielen Menschen ist alleine die Vorstellung, den ganzen Tag auf der faulen Haut zu liegen, mehr als unangenehm. Dort, wo man das bedingungslose Grundeinkommen getestet hat, sind die Menschen, die einen Job hatten, trotzdem weiter arbeiten gegangen und Arbeitslose, deren Grundversorgung gesichert war, haben trotzdem Jobangebote angenommen und sich wieder ins gesellschaftliche Leben integriert.

Doch Armut ist eben ein Konzept, eine Drohung, ein Instrument, mit dem man Ruhe und Ordnung im Land aufrechterhalten kann. Wer wenig hat, der fürchtet, auch das zu verlieren. Wer arm ist, der zieht den Kopf ein und geht nicht auf die Barrikaden, alleine schon aus Furcht, sein „Hartz IV“ auch nicht gestrichen zu bekommen. Und die Menschenwürde?

Es ist an der Zeit, dass wir uns grundsätzliche Fragen stellen, wie die Gesellschaft von morgen aussehen soll. So, wie wir heute ein Fünftel der Gesellschaft ausschließen und stigmatisieren, können wir nicht weitermachen. Einerseits, weil die betroffenen Menschen ein im Grundgesetz verankertes Recht auf Menschenwürde haben und andererseits, weil es schlicht zu teuer ist, Armut einfach nur zu verwalten statt sie zu bekämpfen. Man darf gespannt sein, wann sich diese Erkenntnis auch bei denjenigen durchsetzt, die ein bedingungsloses Grundeinkommen beschließen könnten. Hoffentlich kommt diese Erkenntnis vor dem Moment, in dem sich verzweifelte Menschen einfach nehmen, was sie brauchen und was sie nicht bekommen. Denn wenn es so weitergeht wie bisher, wird dieser Moment sicher kommen.

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