Armut ist eine tickende Zeitbombe

Der sechste Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zeigt deutlich, dass Armut ein immer drängenderes Problem wird. Nicht etwa in der Dritten Welt, sondern in der Industrienation Deutschland.

Armut bedroht immer mehr Menschen, auch in Deutschland. Foto: Sciencia58 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – 555 Seiten ist der sechste Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung stark. Und diese 555 Seiten zeigen, dass die sozialen Probleme in Deutschland eine Aufgabenstellung für die nächste Regierung der Bundesrepublik sind, die nicht länger ignoriert werden können. So besitzt in Deutschland die reichere Hälfte der Bevölkerung 99,5 % des in Deutschland verfügbaren Vermögens, während sich die andere Hälfte die verbleibenden 0,5 % teilt, dabei aber überwiegend verschuldet ist. Die Entwicklung der Armut in Deutschland ist ein soziales Pulverfass, dessen Lunte schon seit Jahren glimmt.

Wer arm ist, der stirbt eher. Die nüchternen Zahlen des Berichts lassen den Leser schaudern. So sterben Männer der ärmeren Bevölkerungsschichten 8 Jahre früher als begüterte Männer. Was einmal mehr die Frage aufwirft, ob die Verteilung in der Gesellschaft fair ist. Wir geben Milliarden aus, um Luftfahrtgesellschaften oder Banken ihre Restrukturierungen zu finanzieren, sind aber nach Jahren der Diskussion immer noch nicht bereit, endlich das bedingungslose Grundeinkommen einzuführen und damit die Armut aktiv zu bekämpfen, statt sie lediglich für viel Geld zu verwalten.

Ein interessantes Phänomen, das der Bericht hervorhebt, ist das Schrumpfen der Mittelschicht. Zählten vor einigen Jahren noch rund die Hälfte der Bundesbürger zu dieser „Mittelschicht“, ist es heute nur noch ein wenig mehr als ein Drittel. Das bedeutet, dass der Aufstieg aus sozial schwächeren Schichten in die darüber liegenden Klassen immer schwieriger wird und auch das lässt Rückschlüsse zu – nämlich dass die Möglichkeit, durch Arbeit und Engagement einen sozialen Aufstieg zu schaffen, immer geringer wird. Und im Umkehrschluss bedeutet dies, dass es den Menschen in Deutschland nur dann sozial richtig gut geht, wenn sie mit einem goldenen Löffel im Mund geboren werden, sprich, hinein in wohlhabende Familien.

Auch der Zugang zu Bildung (und damit eben auch zu einem sozialen Aufstieg) ist ebenfalls abhängig davon, ob man in eine reiche oder in eine arme Familie hinein geboren wird. So gehen Kinder aus reichen Familien zu 79 % aufs Gymnasium (und danach ins qualifizierende Studium), während lediglich 27 % der Kinder aus ärmeren Familien in diesen höheren Bildungsweg kommen. Die soziale Schere im Land geht immer weiter auf und das wird für die Gesamtgesellschaft zu einem wachsenden Problem.

Die Frage der Armut ist gleichermaßen eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, die schon längst nicht mehr gegeben ist, wie auch eine politische Frage. Denn wer in der Armutsspirale gefangen ist, der ist empfänglicher für die vereinfachten Slogans von Extremisten, vor allem, wenn diese versprechen, für „soziale Gerechtigkeit“ sorgen zu wollen.

Der Bericht ist mit 555 Seiten in der Tat sehr lang. Aber dennoch lohnt es sich, ihn anzuschauen. Zwar sagt dieser Bericht, dass die Mehrheit der Menschen in Deutschland in relativ stabilen sozialen Verhältnissen lebt, doch ist es für eine der reichsten Industrienationen der Welt ein Armutszeugnis (sic!), wenn ganze Bevölkerungsgruppen langsam, aber sicher, in den Dunstkreis der Prekarität rutschen. Sie finden den ganzen Bericht, wenn Sie HIER KLICKEN!

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste