Asyl für russische Deserteure?

In der Bundesregierung ist man sich weitgehend einig, dass es eine humanitäre Pflicht ist, russischen Deserteuren Asyl zu gewähren. Nur der Herr Melnyk ist mal wieder aufgebracht.

Zahlreiche russische Reservisten versuchen, sich ins Ausland abzusetzen, wie hier an der finnischen Grenze nach Nuijamaa. Foto: longmandancer@btopenworld.com / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Die Frage, ob man russsischen Deserteuren Asyl gewähren soll, spaltet wieder einmal Europa. Einige Länder wie die tschechische Republik lehnen dies rundweg ab, andere sind bereit, russische Deserteure aufzunehmen. Lediglich der bereits abberufene ukrainische Botschafter in Berlin ist dagegen. Denn er befürchtet, dass diese Deserteure das machen könnten, was er seit dem 24. Februar selbst macht – das „Dolce Vita“ im Westen genießen, während seinen Landsleuten die Kugeln um die Ohren pfeifen. Doch die Frage des Asyls für russische Deserteure stellt ganz andere Fragen als das Gegeifer des Herrn Melnyk.

Das Argument, das gegen die Aufnahme russischer Deserteure vorgebracht wird, steht auf tönernen Füssen. „Die haben 210 Tage lang nichts gegen den Krieg getan, dann sollen sie eben jetzt aufbegehren und Putin stürzen!“. Dieses „Argument“ ist allerdings nur ein Zeichen, dass diejenigen, die es anführen, nicht viel von der Situation in Russland verstehen. Einen Bürgerkrieg in Russland zu erwarten, eine Revolution gegen den Kreml, noch dazu in Kriegszeiten, das ist in Russland undenkbar. Angesehen davon, dass die Sicherheits-Apparate des Kreml funktionieren, hat die große Mehrheit der Russen die offizielle Propaganda geschluckt, nach der Russland vom Westen angegriffen wird. Doch in Situationen, in denen „Mütterchen Russland“ angegriffen ist oder sich zumindest so fühlt, steht das russische Volk zusammen. Nach dem Motto „die Einzelheiten klären wir später“.

Dass die nun mobilisierten russischen Männer kein Kanonenfutter werden wollen, ist nachvollziehbar. Vor dem gleichen Hintergrund hat Europa und vor allem Deutschland hunderttausende syrischer Flüchtlinge aufgenommen, die von den verschiedenen Kriegsparteien in Syrien wahllos unter Waffen gezwungen wurden. Niemand sollte gezwungen werden, eine Uniform und Waffe zu tragen, andere Menschen töten zu müssen oder selbst getötet zu werden. Insofern ist das Asyl für russische Deserteure eine moralische, humanitäre Pflicht.

Nur – wie erkennt man einen russischen Deserteur und wie unterscheidet man ihn von einem russischen Spion? Hier wird die Situation kompliziert, denn die aktuelle Welle von russischen Männern, die versuchen, ins sichere Ausland zu gelangen, ist praktisch nicht zu kontrollieren. Ist jemand ein mobilisierter Reservist oder ein gut ausgebildeter FSB-Agent, der so in den Westen geschleust wird?

Abgesehen davon, dass es sich um alles andere als einen Massen-Exodus aus Russland handelt, wird man schnell pragmatische Lösungen für diese Situation finden müssen. Bis diese gefunden ist, wünschen wir Herrn Melnyk vor seiner Rückkehr in die Ukraine noch schöne Abende an den Berliner Büffets und in den Berliner Luxus-Restaurants, ein wenig „Dolce Vita“, bevor er dann etwas mehr tun muss als unverschämte Sprüche zu klopfen.

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