Atome oder Haare spalten?

Diese Woche soll der deutsche Atomausstieg abgeschlossen werden. Das wäre wohl auch reibungslos passiert, wäre da nicht der Krieg in der Ukraine und die Verknappung von Energieträgern. Und schon wird’s wieder schwierig.

Auch für Neckarwestheim 2 könnte die Betriebsbereitschaft aufrecht erhalten werden. Foto: Thomas from Stuttgart, Germany / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Am 15. April 2023 soll es nun so weit sein – die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland sollen abgeschaltet werden und damit wäre der von Angela Merkel als Reaktion auf den Atomunfall in Fukushima beschlossene Ausstieg aus der Atomenergie vollendet. Wäre da nicht der Krieg in der Ukraine und die damit verbundene Verknappung und Verteuerung der Energieträger. Denn plötzlich müssen die Welt und Deutschland umdenken und zusehen, wo sie die benötigte Energie herbekommen. So fordert nun die FDP, die abzuschaltenden AKWs in Betriebszustand zu halten, um sie im Bedarfsfall doch noch eine Weile einsetzen zu können.

Zum Feiern ist momentan niemandem zumute, denn die Verteuerung und Verknappung der Energie-Ressourcen stellt die Welt vor massive Probleme. Und seien wir ehrlich, trotz der Sanktionen gegen den Energie-Riesen Russland, beziehen wir weiter und über Umwege Öl und Gas aus Russland und finanzieren faktisch weiterhin die Kriegskasse des Kreml-Fürsten. Dass man in einer solchen Situation nicht starr an Ideologien festhält, erscheint vernünftig.

Keine Partei in Deutschland fordert eine Abkehr vom Atomausstieg. - Dieser ist und bleibt das Ziel und bisher wurde dieser Ausstieg auch buchstabengetreu umgesetzt. Von den einst 19 deutschen Atomanlagen wurden inzwischen 16 stillgelegt und nun steht die Frage im Raum, ob man die verbliebenen 3 AKWs nicht als Notfall-Ressource weiterhin in Betriebszustand halten sollte, um auf eventuelle Engpässe reagieren zu können.

Dabei geht es nicht etwa um die Frage, ob man die verbliebenen drei deutschen AKWs Isar2, Neckarwestheim 2 und Emsland weiterlaufen lassen soll, sondern es geht um den Erhalt der Betriebsbereitschaft, um diese drei Anlagen im Bedarfsfall für einen begrenzten Zeitraum hochfahren zu können.

Angesichts der Eskalation des Ukraine-Kriegs ist dies ein sehr realistisches Szenario. Denn der Westen wird seine eigenen Sanktionen gegen Russland nicht ewig umgehen können, und auch die Vorstellung, dass man Öl und Gas beispielsweise aus Kasachstan durch Russland in den Westen transportieren kann, entspringt eher dem Wunschdenken als den politischen Realitäten. Denn wenn die aktuelle Eskalation weitergeht, und nichts deutet darauf hin, dass dies nicht der Fall sei, wird Russland auch dafür sorgen, das Energieträger aus Drittstaaten nicht über russisches Territorium in den Westen gelangen. Und um zu verhindern, dass Länder wie Kasachstan Energieträger gen Westen transportieren, reicht es, dass Russland die Pipelines dichtmacht.

Sich in einer solchen Situation einer Notfall-Lösung zu verweigern, ist nicht so richtig zielführend. - Zwar könnten diese drei AKWs, sollten sie denn eines Tages noch einmal hochgefahren werden müssen, nur einen Bruchteil der benötigten Energie produzieren, zwar sind die mit der Erhaltung der Betriebsbereitschaft verbundenen Kosten sehr hoch, doch muss man die Lage realistisch und nicht ideologisch einschätzen. Zumal es ja zum Konzept des Atomausstiegs keinerlei Diskussion gibt, niemand will weiterhin die Atomkraft nutzen.

Doch wir sind im Krieg, allen Beteuerungen westlicher Politiker zum Trotz. Und in einer solchen Lage muss der Westen eben zusehen, wie er eine energietechnische Katastrophe verhindert.

Und somit wird zwar am 15. April der Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland begangen werden, doch sollte man sich zumindest die Möglichkeit offenhalten, im Bedarfsfall kurzfristig mehr Energie produzieren zu können. Und dennoch darf man diese Woche auch Angela Merkel beglückwünschen, die nach Fukushima mutig den Gordischen Knoten der nuklearen Abhängigkeit durchschlagen hat. Dass es sein kann, dass wir die letzten drei deutschen AKWs noch einmal kurzfristig benötigen, wird am Konzept des Atomausstiegs nichts ändern.

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