Au weia, der Weltmeister stolpert vor sich hin

Nach dem 1:1 gegen Irland in der EM-Qualifikation steht die deutsche Mannschaft jetzt vor dem Schlager gegen Gibraltar unter Druck. Sehr ungewohnt für ein deutsches Team.

Wenn das deutsche Team 2016 in Frankreich auflaufen möchte, muss es sich in den nächsten Spielen steigern. Foto: Tsutomo Takasu / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – In der 93. Minute des EM-Qualifikationsspiels Deutschland – Irland beschloss das deutsche Team, den SC Freiburg zu imitieren. Dieser hatte in der noch jungen Saison bereits zweimal in der Nachspielzeit Ausgleichstreffer kassieren müssen (gegen Hertha BSC Berlin und die TSG Hoffenheim 1899) und damit den bereits sicher geglaubten Sieg aus der Hand gegeben. Als sich dann der Ire O’Shea mit Todesverachtung in einen Ball warf und diesen vor Mats Hummels ins deutsche Tor lenkte, stand es plötzlich 1:1 und das Spiel war vorbei. Und Jogi Löw muss beim Blick auf die Tabelle in der Qualifikationsgruppe D eine Erfahrung machen, die vor ihm nur wenige deutsche Coaches machen mussten.

Denn dort steht das deutsche Team auf Platz 4. Spitzfindige sagen zwar, dass das deutsche Team auf Platz 3 steht, da es punktgleich mit Schottland ist und die Schotten besiegt hatte, aber Tatsache ist, dass beide Teams jeweils 4 Punkte aufweisen und die Schotten das bessere Torverhältnis haben. Und vor beiden stehen Polen und Irland mit jeweils 7 Punkten. Beruhigend – weder Georgien noch Gibraltar machen gerade Anstalten, das deutsche Team zu überholen.

Eine seltsame Mannschaft stand gestern auf dem Rasen „auf Schalke“, eine Mischung aus Welt- und Kreisklasse. Auf der Weltklasseseite muss man Manuel Neuer nennen, sicher auch Thomas Müller und Mario Götze, aber vor allem Toni Kroos. Doch das reicht nicht, um auch nur mittelmäßige Gegner ernsthaft zu gefährden. Dagegen sind Spieler wie Antonio Rüdiger oder auch Matthias Ginter, der offensichtlich Probleme hat, seine Brasilienreise und den Wechsel nach Dortmund zu verdauen, eher als Kreisklasse einzustufen. Das Experiment mit Ginter im zentralen Mittelfeld, wo man gegen die defensiven Iren eigentlich gar niemanden gebraucht hätte, ist gründlich schief gegangen. Natürlich ist Matthias Ginter ein Riesentalent, doch sollte man ihm eine Pause geben, damit er erst in Dortmund und dann auch wieder in der Nationalmannschaft landen kann. Momentan ist er von seinem eigentlichen Leistungsvermögen meilenweit entfernt.

Woran liegt es dann, dass man aus den beiden Spielen in Polen und gegen Irland nur ein mickriges Pünktchen holen konnte? Die Antwort liegt auf der Hand – seit dem 13. Juli und dem glanzvollen Erfolg bei der WM in Brasilien hat sich das Team grundlegend verändert. Miroslav Klose, Per Mertesacker und Phillip Lahm haben ihre Nationalmannschaftskarriere beendet, Bastian Schweinsteiger ist verletzt, ebenso wie Ilkay Gündogan und Marco Reus und die Neulinge wie Durm, Rüdiger oder Rudy haben einfach (noch?) nicht das gleiche Niveau.

Konnte es sich Jogi Löw in Brasilien leisten, den „stürmerlosen“ Fußball zu erfinden, bei dem endlos viele offensive Mittelfeldspieler in einem glänzend eingespielten Team alle zusammen für Torgefahr sorgten, so geht das jetzt eben nicht mehr – im Mittelfeld fehlt die spielerische Qualität, die Neulinge schieben sich relativ planlos den Ball hin und her, da sie Angst haben Fehler zu machen und vorne im Sturm herrscht gähnende Leere. Und nach wie vor weigert sich Jogi Löw, an den momentan wohl besten deutschen Stürmer zu denken, Stefan Kießling. Der fällt zwar bei den Spielen von Bayer Leverkusen in Freiburg regelmäßig durch larmoyante Unsportlichkeit auf, aber Fakt ist, dass der Mann seit Jahren der beständigste deutsche Stürmer ist – und genau im Sturm liegen die größten Probleme dieses Teams.

Doch bevor man nun alle Alarmglocken läuten lässt, sollte man die Kirche im Dorf lassen. In der EM-Qualifikation geht es in diesem Jahr nur noch gegen Gibraltar und gegen die Thekenkicker vom südspanischen Affenfelsen ist vor allem die Frage interessant, ob das Ergebnis zweistellig ausfallen wird. Im nächsten Jahr sollte dann der eine oder andere verletzte Spieler wieder dabei sein und das deutsche Team wird dann wieder zu der Kaltschnäuzigkeit finden, die es in Brasilien so stark gemacht hat. Jogi Löw wird ziemlich genau wissen, was zu tun ist.

Und immerhin – noch geht es Jogis Buben noch nicht so wie Holland – die liegen nämlich nach der 0:2-Niederlage in Island (!) bereits 6 Punkte hinter dem 2. Tabellenplatz in ihrer Gruppe, der zur Teilnahme an der Endrunde 2016 in Frankreich berechtigt…

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