Auch die Schweiz driftet ganz weit nach rechts ab

Bei den Parlamentswahlen am Sonntag in der Schweiz gewannen die nationalkonservativen Parteien eine knappe Mehrheit, nachdem sie nach bekanntem Muster Ängste vor Zuwanderern geschürt hatten.

Schon seit Jahren fällt die rechtspopulistische SVP durch derart plumpe Werbungen unangenehm auf. Fast 30 % der Schweizer scheint dieser Mist aber zu gefallen. Foto: Shoe2010 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Irgendwie sind diese rechtsnationalen Parteien alle gleich. Ob in Deutschland, in Frankreich, in der Schweiz, in den Niederlanden, in Dänemark, in Ungarn, in Griechenland und anderswo, sie haben alle die gleichen populistischen Sprüche drauf und seltsamerweise sind sie untereinander erstaunlich solidarisch. Aber nur so lange, bis sie dann eines Tages wirklich an der Macht sind – dann werden sie wieder anfangen, sich gegenseitig zu bekriegen. Eine dieser Formationen, die Schweizer Volkspartei (SVP) hat am Sonntag bei den Parlamentswahlen in der Schweiz einen geradezu historischen Sieg eingefahren – mit 29,4 % der Stimmen (Wahlbeteiligung 48,3 %) erzielten die Rechtspopulisten das höchste Ergebnis, das eine einzelne Partei seit dem Ersten Weltkrieg (!) in der Schweiz für sich verbuchen konnte.

Das Schlagwort dieser Wahl hieß „Dichtestress“ – gemeint ist damit, dass die Bevölkerung der Schweiz in den letzten 30 Jahren von sechs auf acht Millionen Einwohner gestiegen ist, von denen inzwischen 20 % Zuwanderer sind. Ohne die in der Schweiz übrigens wirtschaftlich nichts mehr ginge. Doch die SVP verstand es geschickt, bei den Schweizern das Gefühl zu schüren, dass wenn man jetzt nicht massiv eingreift, man sich in den nächsten Jahren auf den Alpen gegenseitig auf den Füssen steht. Dass dies völlig irrational ist, spielt keine Rolle und – welche rechts-populistische Partei in Europa arbeitet schon mit rationalen Argumenten?

Der Nationalrat, den man in etwa mit dem Bundestag vergleichen könnte, haben die Rechtspopulisten tatsächlich die Mehrheit übernommen – SVP, die rechtsliberale FDP, das Genfer „Mouvement Citoyen Genevois“ und die Tessiner Liga kommen zusammen auf 101 der 200 Sitze und bilden somit eine hauchdünne Mehrheit, aber eben eine Mehrheit.

Ein weiteres Schwerpunktthema der Rechtspopulisten, warum sollten diese sich in der Schweiz auch von anderen Rechtspopulisten in Europa unterscheiden, war die starke Ablehnung einer Annäherung an die EU. Das ist im Grunde die gleiche Haltung wie die des französischen Front National, dem es ebenso wie der SVP gar nicht nationalistisch genug zugehen kann.

Doch wohin wollen all diese Nationalkonservativen eigentlich ihre Länder führen? Haben die denn gar nichts aus der Geschichte gelernt? Oder am Ende schon vergessen, dass der Nationalismus unseren Kontinent Jahrhunderte lang immer wieder in mörderische Kriege gehetzt hat?

Es scheint, als sei das Zeitalter der dumpfen Sprücheklopfer angebrochen. Je platter (und unzutreffender) die Wahlslogans sind, desto eher verfangen sie bei einer Wählerschaft, die offensichtlich auf solche dumpfen Suggestionen herein fällt. So verunglimpfte die SVP im Wahlkampf gleich alle politischen Gegner, indem sie „Linken, Netten und Bundesrätin Sommeruga“ unterstellte, sie wollten zugewanderten Ausländern erlauben, „weiter zu vergewaltigen“. Erstaunlich ist, dass sich die SVP damit ganz offen auf die Seite der „nicht Netten“ stellt – und damit Erfolg hat.

Es ist schon ziemlich paradox, dass diejenigen politischen Kräfte, die martialisch und aggressiv auftreten, ganz offenbar diejenigen sind, die am meisten Angst haben. Angst vor „Überfremdung“, Angst vor Arbeitslosigkeit, Angst vor den Nachbarn, Angst um den eigenen Wohlstand. Bei so viel Angst muss man ja zwangsläufig bellen und beißen, doch das Problem ist, dass diese Parteien Europa und die Welt wieder einmal ins Elend stürzen werden.

Noch ist es nicht zu spät, diese Entwicklungen aufzuhalten – das allerdings setzt voraus, dass sich die Wählerinnen und Wähler die Mühe machen, sich zu informieren und ein eigenes Urteil zu fällen, statt den Stammtischparolen derjenigen auf den Leim zu gehen, denen bestimmt vieles am Herzen liegt, aber sicher weder Frieden, noch Respekt, noch eine friedliche Zukunft. Es wird Zeit, die Brunnenvergifter und Volksverhetzer an den Wahlurnen zu stoppen. Aber bitte nicht so wie am Sonntag in der Schweiz…

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