Auch mal Staatsmann spielen…

Friedrich Merz wollte es beim Besuch von Selenskyi in Berlin allen zeigen – er ist nicht nur der lange Lulatsch, der bei Meetings am Rand steht, sondern auch ein richtiger Staatsmann. Denkt er.

Friedrich Merz, von der eigenen Bevölkerung nicht geliebt, will wenigstens international glänzen. Foto: President of Ukraine / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Mehr als die Hälfte der Deutschen ist mit der Arbeit des neuen Bundeskanzlers Friedrich Merz (CDU) nicht zufrieden. Also macht es Merz wie sein französischer Kollege Emmanuel Macron, der die Ablehnung durch die eigene Bevölkerung dadurch vergessen machen will, dass er versucht als „Kriegsherr“ auf internationaler Bühne zu glänzen. Doch was schon für Macron nicht klappt, wird auch für Merz nicht klappen. Aber immerhin bekommt er mediale Aufmerksamkeit, die bei Selenskyis Kurzbesuch auch nur 5 Milliarden Euro an neuen Militärhilfen für die Ukraine kostete.

Was Merz allerdings bei Selenskyis Besuch zum Besten gab, war teilweise haarsträubend. So drohte Merz dem Kreml beim 17. Sanktionspaket mit „Sanktionen, die dieses Mal richtig wehtun werden“, was die Frage aufwirft, was Sinn und Zweck der ersten 16 Sanktionspakete war, an die sich in Europa ohnehin kaum jemand gehalten hat. Ansonsten übte sich Merz im Schleimen auf hohem Niveau, als er erklärte, dass die ganzen tollen Pläne für den Sieg der Ukraine natürlich die Unterstützung der USA brauchen, deren Präsidenten Donald Trump Merz ganz ausdrücklich und devot dankte – der Mann hat die Lektion aus dem Oval Office gelernt. Was ihn aber dazu bringt, mit den USA als Partner im Ukraine-Krieg zu rechnen, das weiß wohl nur Friedrich Merz.

Überhaupt scheint Merz ganz schön viel zu wissen. Zum Beispiel, dass Russland diesen Krieg „militärisch nicht gewinnen“ kann. Aha. Nicht zu wissen scheint Merz aber, dass Russland nicht alleine dasteht, sondern als Gründungsmitglied der BRICS+-Staaten ungefähr die Hälfte der Weltbevölkerung zu ihren Unterstützern zählen kann. Aber die BRICS+-Staaten hat man in Europa ja noch nie ernstgenommen, weswegen es zu solch dramatischen Fehleinschätzungen kommen kann.

In Berlin forderte dann auch Selenskyi, dass es möglichst schnell zu einem Treffen zwischen ihm, Donald Trump und Wladimir Putin kommen soll. Gerne, lautete die postwendende Antwort aus Moskau, sobald die Ukraine die russischen Forderungen erfüllt haben wird. Also nie.

Bei allem Säbelrasseln aus Europas Westen merkt man, wie leer die Drohungen der Möchtegern-Kriegsherren sind. Immerhin räumte auch Merz ein, dass dieser Krieg noch sehr, sehr lange dauern wird. Was er nicht sagt, ist dass die Hoffnung, dass Russland auf die Eskalation des Kriegs nicht reagieren wird, trügerisch ist. In den letzten Tagen haben die Russen ihre Angriffe intensiviert und greifen mit mehr Drohnen und Raketen an als je zuvor. Das werden sie auch weiterhin tun, auch, wenn Deutschland Taurus-Raketen liefern sollte. Und wenn Friedrich Merz ohne Absprache mit dem Koalitionspartner SPD die Reichweitenbeschränkung für deutsche Waffen aufhebt, damit die Ukraine ihre Nadelstiche tief im russischen Landesinneren setzen kann, dann wird auch das den Krieg nicht beenden, sondern lediglich dazu führen, dass die russischen Angriffe noch brutaler werden. Denn auch, wenn das die westlichen Führer immer wieder überrascht – Putin hat die Ukraine nicht überfallen, um dort einen „gerechten und dauerhaften Frieden“ einzuziehen, sondern um die Ukraine nach Russland einzuverleiben. Und jede Eskalation seitens des Westens wird unmittelbar von Russland beantwortet werden. Das ist nicht schön, aber so ist es, ob das jetzt MacronMarzStarmerTusk passt oder nicht.

Bei seinen Auftritten auf der internationalen Bühne merkt man Friedrich Merz seine politische Unerfahrenheit deutlich an. Seine Erklärungen sind undiplomatisch, teilweise realitätsfremd und letztlich macht er nichts anderes, als Selenskyi in den III. Weltkrieg hinterher zu stolpern. Das ist ja auch das, was der ukrainische Präsident seit über zwei Jahren will – dass der Westen für ihn einen blutigen Krieg gewinnt, den die Ukraine nicht gewinnen kann. In Friedrich Merz hat er jetzt einen wackeren Verbündeten, der ihm jeden Wunsch erfüllen wird. Was nichts daran ändern kann, dass die Ukraine diesen Krieg nicht gewinnen und im Falle einer weiteren Eskalation, an der ja alle arbeiten, komplett vernichtet werden kann. Dass Putin daran die Schuld trägt, steht nicht zur Debatte. Aber dass es Putin momentan mit drittklassigen westlichen Staatenlenkern zu tun hat, die eindeutig nicht das Format haben, mit dieser Situation umzugehen, ist ein riesiger Vorteil für Putin und könnte die leidende ukrainische Bevölkerung sehr teuer zu stehen kommen. Und so läuft das Drama immer weiter…

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