Aufnahme von Flüchtlingen in Straßburg – eine emotionale Debatte
Der Straßburger Stadtrat hat eine hoch emotionale Debatte zum Thema der Aufnahme von Flüchtlingen geführt. Eine Art Auseinandersetzung zwischen Humanisten und Rechtsextremen, für die einem kaum das passende Adjektiv über die Lippen kommt.
(KL) – Straßburg gehört zu den französischen Städten, die bereits sehr frühzeitig Innenminister Bernard Cazeneuve signalisiert hatten, dass sie bereit ist, Flüchtlinge aufzunehmen, zu einem Zeitpunkt, als die noch immer nicht beendete Debatte ausbrach, welches Land wie viele Flüchtlinge aufnehmen soll. Nachdem OB Roland Ries diese Initiative ergriffen hatte, regte sich vorgestern Abend im Straßburger Rathaussaal tatsächlich Widerstand. Doch der wog kaum gegenüber den teilweise hervorragenden Beiträgen einiger sozialistischer Lokalpolitiker, die bewiesen, dass man in Straßburg die Mission begriffen hat, die sich aus der humanistischen Vergangenheit Straßburgs ergibt.
„Wir sind das, was wir machen“, zitierte der Erste Beigeordnete Bürgermeister Alain Fontanel den griechischen Philosophen Aristoteles (den ganzen Text seiner bemerkenswerten Ansprache haben wir gestern hier in französischer Sprache veröffentlicht) und auch Roland Ries selbst ließ keinen Zweifel an der moralischen Verpflichtung der Europahauptstadt aufkommen, in so einer Situation Solidarität zu zeigen. Er erinnerte an die Geschichte der Stadt, deren Evakuierung 1939, als die Straßburger Bürger Zuflucht vor den Nazis in anderen Landesteilen suchen mussten und auch daran, dass die humanistische Vergangenheit der Stadt ein echtes Vermächtnis ist.
Straßburg, so ist es geplant, soll ungefähr 500 Flüchtlinge aufnehmen, überwiegend aus Syrien, dem Irak und Eritrea. Und, zum Glück, herrscht zwischen den regierenden Sozialisten und den Konservativen in der Opposition weitgehend Einigkeit darüber, dass dies auch passieren soll. Bis auf, na klar, den Front National. Deren Stadträtin Julia Abraham gab Dinge von sich, die von vollständiger Unkenntnis der Sachlage und einem verbohrten Nationalismus zeugten, dass man seine Magennerven beruhigen musste.
So vertrat sie die Ansicht, dass die gerade zu Zehntausenden flüchtenden Syrer und Iraker nicht etwa vor einem Krieg flüchten, sondern vor allem „Wirtschaftsflüchtlinge“ sind, die es sich zum Schaden der „einheimischen“ Bedürftigen bei uns gut gehen lassen wollen. Eine derartige Ignoranz, am Rande des Erträglichen, zeigt eigentlich nur, dass die Franzosen gut beraten wären, bei den kommenden Wahlen einen großen Bogen um eine politische Formation zu machen, die einen derartigen Blödsinn von sich gibt.
Doch auch andere Rechte wollten die Debatte nutzen, um ein politisches Süppchen zu kochen. Die Aussage des konservativen Stadtrats Pascal Mangan („Der französische Staat versagt bei der Lösung der Krise“) war eine Stellungnahme, weil er eben eine Stellungnahme abgeben wollte. Dabei weiß natürlich auch ein Pascal Mangin, dass aktuell kein einziges europäisches Land in der Lage ist, die Problematik alleine zu lösen. Seine Einlassung, dass die Solidarität gegenüber Flüchtlingen auf „Unverständnis“ bei einheimischen Bedürftigen stoßen dürfte, wirft natürlich die Frage auf, was denn in den letzten Jahren, also vor der Flüchtlingswelle, für diese Bevölkerungsgruppe der einheimischen Bedürftigen getan wurde. Da sollten sich diejenigen, die heute so tun, als würden sie diese einheimischen Bedürftigen und deren Interessen verteidigen, einmal selbst an die Nase fassen…
Zur Frage, wo konkret die Flüchtlinge untergebracht werden sollen, gibt es noch recht unterschiedliche Meinungen und Vorschläge, doch Roland Ries gab sich optimistisch: „Wo der politische Wille da ist, gibt es auch einen Weg“. Recht hat er.
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