Aus ist es mit der elsässischen Identität. Aus und vorbei.

Sie hatten doch wohl Recht, all die Bedenkenträger der französischen Gebietsreform. Als erste Maßnahme schafft die neue ostfranzösische Großregion alles Elsässische ab.

Lisbeth kriegt die Krise - ab sofort sind Tracht, Dialekt und Flammenkuchen verboten! Das Elsass stirbt! Foto: Charles Spindler / Bibliothèque Nationale et Universitaire de Strasbourg 4 reference number 665123 / Wikimedia Commons / licence ouverte

(WB) – Das ist mies. Richtig mies. Die schlimmsten Befürchtungen sind eingetroffen – per Dekret schaffte die neue Regionalregierung in ihrer zweiten Sitzung die elsässische Identität ab. Aus ist es mit dieser Jahrtausende alten Kultur und Identität und plötzlich wird uns klar, dass das alles ein abgekartetes Spiel der Pariser Regierung war, um die alten französischen Kulturen in den Grenz- und Randregionen zu zerstören und damit fester an „la France métropolitaine“ zu binden. Und wir haben es nicht gemerkt!

Dabei hätten wir hellhörig werden müssen, als diese zweite Sitzung des neuen Regionalrats nicht in Straßburg, sondern in Givors stattfand. Sie kennen Givors nicht? Das liegt nördlich von Charleville-Mézières. Kennen Sie auch nicht? Also, das ist ein kleiner Zipfel Frankreich, der wie ein kleiner, bohrender Finger in die belgischen Ardennen hineinragt und der liegt in der früheren Region Champagne-Ardenne. Was heute in der Großregion Elsass-Champagne-Ardenne-Lothringen liegt. Da war doch was im Busch und richtig, in Givors wurde die elsässische Identität abgeschafft.

Per Dekret wurde alles verboten, was irgendwie elsässisch ist. Gewürztraminer darf nicht mehr angebaut oder ausgeschenkt werden, Flammenkuchen und Sauerkrautplatten sind untersagt, die hübschen Trachten, in denen sich die Dorfmädels noch bis zum 31. Dezember jeden Abend auf den Plätzen der Dörfer entlang der Weinstraße trafen, um dort gemeinsam alte elsässische Weisen abzusingen, verboten! Und wir haben nicht rechtzeitig reagiert, Alarm geschlagen, die Zeichen der Zeit erkannt! Das hätte man doch verhindern können, wenn man rechtzeitig gegen die Verwaltungsreform gekämpft hätte! Und jetzt das. Auch der elsässische Dialekt ist verboten. Ab sofort wird entweder auf Französisch parliert oder auf Lothringer Platt, das war der einzige Dialekt, der nicht auf die schwarze Liste kam. Warum, das weiß niemand so genau.

Als Maßnahme für den Arbeitsmarkt hatte dann Emmanuel Macron, der umtriebige, junge und modern denkende Wirtschaftsminister Frankreichs eine zündende Idee, wie man die Arbeitslosigkeit bekämpfen kann, was angesichts der Wahlen 2017 richtig wichtig ist, denn immerhin wollte sich Präsident Hollande ja an seinen Erfolgen in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit messen lassen. Die seit seiner Wahl stetig weiter gestiegen ist. Also wurde in einem Aufwasch ein neuer Beruf erfunden, für den ab sofort rekrutiert wird – der „Contrôleur dialectal“ – eine Katastrophe. Denn ab sofort sitzen in allen elsässischen Cafés, Restaurants, Bars, Winstubs, Beizen, Kneipen, Kaffeehäusern, Kebabbuden, Sternefresstempeln und Teesalons „Dialekt-Kontrolleure“, die sicherstellen, dass niemand mehr Elsässisch spricht. Die Kontrolleure, da zeigte Emmanuel Macron einmal mehr seine Elitenschulenausbildung, können richtig viel Geld verdienen, denn sie dürfen die Strafen behalten, die sie verhängen. Die funktionieren nämlich wie Falschparkerpolitessen. Ein Strafzettel für elsässische Flüche („verdeggelt“, „Herrschaftszit nochemol“ und ähnliches) geht noch, das ist tatsächlich wie Falschparken und kann je nach Schwere und Umständen des Vergehens mit 35 bis 135 € Strafe belegt werden. Schlimmer und vor allem teurer wird es, wenn man öffentlich „Hans im Schnoggeloch“ singt oder gar Gedichte von André Weckmann zitiert – da werden dann schon mal für ein Jahr alle Bürgerrechte aberkannt. Ein guter „Contrôleur dialectal“ kann locker auf 4000 bis 5000 € im Monat kommen und – jeder dieser Kontrolleure verschwindet natürlich aus der Arbeitslosenstatistik. Das Programm in allen Grenzregionen, das fällt bei der Statistik ins Gewicht. Herrje, hätten wir das nur kommen sehen!

Besonders bitter trifft uns das Verbot von Gänsestopfleber. Vorbei, die letzten Dosen werden unter der Ladentheke für horrende Preise an ausgewählte Kunden angegeben und alleine schon die Zubereitung eines „Baeckeoffe“ kann schlimmstenfalls eine Bewährungsstrafe nach sich ziehen. Wie konnte Phillipe Richert das nur unterschreiben?

Ja, die Gebietsreform hat die elsässische Identität zerstört, nach nur zwei Wochen war eine 2000 Jahre alte Entwicklung im Elsass abrupt beendet. Das „Ecomusée“ im oberelsässischen Ungersheim wurde von französischen Regierungstruppen dem Erdboden gleich gemacht und es wurde die Jagd auf Störche eröffnet. „Mangez de la Cigogne!“ steht nun in vielen Orten auf Plakaten neben den Namen auf den Ortschildern, so in Munster, Kaysersberg oder Kintzheim. Hier tauchen schon die ersten Trupps französischsprachiger Storchjäger auf, die mit Maschinenpistolen den edlen Wappenvogel des Elsass von den Kirchtürmen schießen. Und wir hätten das verhindern können!

Und was haben sie in nur 2 Wochen aus dem Straßburger Münster gemacht! Das Wahrzeichen der Stadt, ja, der ganzen Region – in einen Drive-Inn umgebaut, der vom Place du Château aus angefahren werden kann… die Kunden können an der astronomischen Uhr ein Ticket ziehen und werden dann bedient. Mit Croque Monsieur oder Croque Madame auf die Faust. Verdammt!

Ende, Aus, vorbei. Das Elsass hat seine Seele ausgehaucht, aus den Weinbergen werden Steinbrüche entstehen, in denen die arbeitslose elsässische Jugend (also alle, die nicht „Contrôleur dialectal“ geworden sind), Steine klopfen und das Ausgangsmaterial für Tafelkreide für Grundschultafeln herstellen müssen. Hierzu wird praktischerweise die nordelsässische Töpferindustrie in Betschdorf und Ettendorf umgerüstet – statt der typischen blau-weißen Steingutwaren wird hier künftig eben Schulkreide produziert. Nach Plan. Und die Dörfer werden in „Betchvillage“ und „Ettenvillage“ umbenannt. Jede Wette, in 100 Jahren weiß hier kein Kind mehr, dass in der Region mal Menschen gelebt haben, die einen Dialekt sprachen, der Elsässisch genannt wurde, dass man hier Wein auf typischem Steingut trank und dazu Wurstsalat essen konnte. Ist ja alles abgeschafft worden.

Schweißgebadet wache ich auf. Was für ein Glück, nur ein schlechter Traum! Nichts wurde abgeschafft, die Verkäuferin in der Bäckerei meines Vertrauens begrüßt mich immer noch mit einem freundlichen „Güete Morje“ und irgendwie ist alles genauso, wie es am 31. Dezember im Elsass war. Irgendwie elsässisch und ein kleiner Vogel zwitschert, dass das auch immer so bleiben wird. Auch noch in 2000 Jahren. Wenn bis dahin nicht Fessenmaison in die Luft geflogen ist. Alles im grünen Bereich im Elsass, auch 2 Wochen nach der Gebietsreform. Uff…

1 Kommentar zu Aus ist es mit der elsässischen Identität. Aus und vorbei.

  1. Réforme territoriale : encore plus mieux que prévu!

    Deux ans après sa mise en oeuvre, la réforme territoriale démontre toute sa pertinence et ses objectifs initiaux semblent à présents bien en-deça de ses réels bénéfices.

    En effet le bilan est proprement sidérant. Du côté des économies attendues, tout d’abord. L’itinérance des élus et la multiplication des sites afin de maintenir une proximité au terrain, tant décrié lors des formidables débats citoyens organisés par le gouvernement lors de l’élaboration exemplaire de la réforme , ont permis en réalité un formidable développement des entreprises du transport, notamment par car, rendant ainsi justice à M. Macron. Les hôteliers ne sont évidemment pas en reste. Par ailleurs ces déplacements sont sources d’échanges et d’enrichissement personnels permanents pour nos élus. Tous ces avantages rendent dérisoires la légèrement augmentation du budget de fonctionnement (à peine +52.37%) et les quelques désagréments que peuvent supporter particuliers et entreprises lors de leurs démarches administratives. Notons toutefois que ces démarches participent à la bonne forme des entreprises du transport et des hôteliers, et qu’elles sont également source de formidables rencontres lors des pérégrinations entre Chalon, Epinal, Strasbourg, Metz et Nancy, voire Troye, Reims ou Mulhouse pour les plus chanceux.

    Cette formidable réussite déchaine les passions de nos voisins européens, notamment du Luxembourg qui a demandé son rattachement à notre si belle région, confirmant ainsi que l’objectif de lui une dimension européenne est également pleinement atteint!

    Quant aux autres objectifs fixés à cette réforme, même si nous n’avons pas réussi à en trouver trace dans les archives de l’époque – par pudeur et afin d’éviter toute manifestation d’enthousiasme déplacé, le gouvernement de l’époque avait gardé le secret bien gardé – et bien à défaut de pouvoir les citer, nous pensons pouvoir affirmer sans grand risque de nous tromper qu’ils sont bien évidemment largement atteint!

    Bip-bip, bip-bip, bip-bip….ouf, ce n’était qu’un rêve. J’aurai pu m’en douter, une tartine aussi creuse pour ne rien dire, ça n’existe pas dans la vraie vie…

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