Auslaufmodell Sozialdemokratie?

August Bebel würde sich im Grab umdrehen. Willy Brandt auch. Die SPD, Jahrzehnte lang Regierungspartei in der BRD, macht sich selbst überflüssig. Ohne es zu merken.

Andrea Nahles denkt nun über den "SPDexit" aus der Koalition in Berlin nach. Foto: ScS EJ

(KL) – So richtig verstanden hat es wohl noch niemand in Berlin, was die letzten Wahlergebnisse zu bedeuten haben. Die CDU/CSU rutscht in Rekordtiefs, die SPD ist in Bayern kurz vor dem Etikett „Andere“ gelandet – mit 9,6 %. Die früheren „Volksparteien“ haben abgewirtschaftet und schaffen es einfach nicht, sich so aufzustellen, dass die Menschen einen Grund hätten, sie zu wählen. Dabei ist das „Abstrafen“ der Regierungsparteien weniger eine Strafe für schlechte Arbeit, als vielmehr das Fehlen tragfähiger Zukunftsvisionen.

Von den früheren „Volksparteien“ bleibt nicht mehr viel übrig, sie bewegen sich durch die politische Welt wie Dinosaurier, deren schiere Größe sie gerade noch davor rettet, einfach umzufallen. Doch das ist nur noch eine Frage der Zeit. Da stellt sich die Frage, ob die Welt von heute überhaupt noch die Sozialdemokratie braucht.

Die Sozialdemokratie 2018 hat nichts mehr mit der SPD der siebziger Jahre zu tun, als das Godesberger Programm die Partei als eine klar linke, an sozialen Themen und einer eindeutigen Friedenspolitik orientierte Partei zu erkennen gab. Heute ist die SPD ein trauriger Haufen braver Erfüllungsgehilfen der Bundeskanzlerin, der „Märkte“, der Finanztechnokraten. Die einstige Partei der Arbeiterklasse ist im Herzen ihrer Wählerschaft nicht mehr als solche zu erkennen. Da geht es der SPD nicht anders als anderen sozialdemokratischen Parteien in Europa. Also nochmal die Frage: Braucht die Welt von heute noch die Sozialdemokratie?

Die Welt von heute bräuchte eine funktionierende Sozialdemokratie mehr als je zuvor. Das Problem ist nicht das Konzept der Sozialdemokratie, sondern der Umstand, dass sozialdemokratische Parteien eine neo-liberale Politik im Interesse der „Märkte“ betreiben und eigentlich gar keine sozialdemokratischen Parteien mehr sind. Doch dieser Profilverlust macht die SPD kaum noch unterscheidbar von anderen Parteien des bürgerlichen Spektrums und dazu fehlt einfach Personal, dem man abnimmt, dass diese Partei vernünftige Politik betreiben kann. Andrea Nahles ist ebenso wenig eine Sympathieträgerin wie Angela Merkel und obwohl beide Frauen sind, gehören sie zu der Riege der alten Herren, die gerade überall abgewählt werden.

Die SPD sollte nun nicht trotzig aus der Großen Koalition aussteigen und die Bundesrepublik Deutschland in eine echte Politikkrise stürzen – es wäre an der Zeit, sich auf die Inhalte der Sozialdemokratie zu besinnen, endlich den Schulterschluss mit anderen sozialmdemokratischen Parteien suchen (und dies nicht nur bei einmal im Jahr stattfindenden internationalen Kongressen, bei denen sich alle gegenseitig auf die Schulter klopfen und bestätigen, dass sie einen tollen Job machen…) und wieder lernen, die Interessen der sozial Schwächeren dieser Gesellschaft zu erkennen und zu vertreten.

Aber mit dem aktuellen Personal steht zu befürchten, dass die SPD genau wie die Kollegen in anderen Ländern sang- und klanglos den Weg in die politische Bedeutungslosigkeit weitergeht. Dabei würde man gerade heute so dringend eine echte Opposition und andere Stimmen in der Politik brauchen. Aber da die SPD nicht willens oder in der Lage ist, diese Rolle auszufüllen, wird sie wohl in den nächsten Jahren von den Grünen ausgefüllt werden. Dabei sind die schon lange gar keine „linke“ Partei mehr.

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