Bahnfahren in Frankreich wird zum Abenteuer

Der „Streikkalender“, den die Gewerkschaften der französischen Staatsbahn SNCF bis Juni aufgestellt haben, liest sich wie ein Witz. Ist aber keiner.

An diese Bilder wird man sich in Frankreich in den nächsten Monaten wieder gewöhnen müssen Foto: Tangopasso / Wikimedia Commons PD

(KL) – Die gute Nachricht zuerst. Bis Juni 2018 wird kein Mitarbeiter der französischen Staatsbahn SNCF an Überarbeitung sterben. Denn die Gewerkschaften haben einen „Streikkalender“ aufgestellt, der es in sich hat. Und dazu auch gleich noch eine eigene Sprache erfunden, mit dem dieser Streik auch hübsch geredet werden kann. So erleben wir nun in Frankreich einen „geperlten Streik“.

Die Gewerkschaften wehren sich gegen die Pläne der Regierung, den Sonderstatus der Eisenbahner abzuschaffen und das Unternehmen zu privatisieren – was für die Mitarbeiter im Zweifelsfall zu heftigen Einschnitten führen dürfte. Als Mittel des Arbeitskampfs haben die Gewerkschaften den „geperlten Streik“ gewählt, bei dem in den kommenden drei Monaten jeweils zwei Tage pro Woche gestreikt wird. Und diese Tage wurden praktischerweise so gelegt, dass die Eisenbahner ab sofort eigentlich nur noch sporadisch zwischen den wunderbar liegenden Streiktagen arbeiten werden. Für die Reisenden bedeutet dies, dass Bahnfahren genau zu den Zeiten, zu denen die Bahn am meisten genutzt wird, nicht oder nur eingeschränkt möglich sein wird.

Der Blick auf den „Streikkalender“ lohnt sich, denn so sieht eine optimale Freizeitplanung aus. So beginnt der Streik direkt nach Ostern. Auf das lange Osterwochenende folgen auf den Ostermontag erst einmal zwei Streiktage, an denen man sich vom Osteressen erholen kann. Und Reisende, die nach Ostern wieder heimfahren wollen, können schauen, wie sie das hinbekommen.

Auch zu Pfingsten wird es für die Eisenbahner gemütlich. Ab Freitag wird ins Pfingstwochenende hinein gestreikt und nach dem langen Pfingstwochenende am Mittwoch und Donnerstag gestreikt. Man darf gespannt sein, wie viele Eisenbahner am Dienstag, den 22. April urplötzlich krank werden oder einen Tag freinehmen – denn wer sich diesen Tag arbeitsfrei macht, hat eine Woche frei. Nett. Nur nicht für die Reisenden.

Es ist, wie immer, die gleiche Frage. Damit ein Streik wirksam sein kann (und man sollte nicht vergessen, dass fast alle sozialen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte über Arbeitskämpfe erstritten wurden!), muss er auch wehtun. Das wird dieser Streik auch, aber es sei die Frage gestattet, ob das gewählte Format wirklich die Solidarität der Franzosen finden wird. Denn dieser „Streikkalender“ liest sich wirklich wie ein Urlaubsplan, mit dem die Eisenbahner einen entspannten Frühling erleben werden, mächtig viel Zeit mit der Familie und Freunden zu den Feiertagen (Ostern, Pfingsten) haben und gleichzeitig müssen die Franzosen zu diesen Feiertagen zusehen, wie sie von A nach B und wieder zurück kommen.

Ob dieser Streik, der das Nervenkostüm der Franzosen bis zum Äußersten belasten wird, eine so gute Idee ist, wird sich zeigen. Denn Frankreich hat einen Präsidenten, der a) gut die Stimmung in der Bevölkerung aufgreift und b) gerne per Ordre de Mufti per Verordnung regiert. Wenn die Stimmung in Frankreich kippt, wird Macron nicht zögern, die politischen Entscheidungen im Alleingang zu treffen. Und die dürften dann für die Eisenbahner nicht sonderlich günstig ausfallen.

So oder so – bevor Sie mit dem Zug nach Frankreich fahren, sollten Sie sich gut informieren. Und vorab schon einmal den „Streikkalender“ genießen…

 

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