Bauernproteste – Frankreich rutscht immer tiefer in die Krise
Die Auseinandersetzungen zwischen entschlossenen Bauern und einer hilflosen Regierung verschärfen sich. Und die Elitepolizisten marschieren auf.
(KL) – Am Morgen verkündete Innenminister Darmanin noch, dass er seine Polizisten nicht gegen die protestierenden Bauern aufmarschieren lassen wollte, am Abend waren dann rund 100 demonstrierende Bauern festgenommen worden und den ganzen Tag über lieferten sich die Trecker-Kolonnen, die auf dem Weg nach Paris und Europas größter Lebensmittel-Plattform Rungis waren und die Polizei an Dutzenden Straßensperren ein Katz-und-Maus-Spiel. Doch die Lage wird immer angespannter und bei dem heute beginnenden EU-Gipfel in Brüssel wird Emmanuel Macron nicht die Dinge aushandeln können, mit denen die Bauern befriedet werden könnten. Ein Ausweg aus dieser Situation zeichnet sich nicht ab.
Nach wie vor sind zahlreiche Autobahnen blockiert, viele Lebensmittel-Transporte erreichen die Einkaufszentralen nicht und am frühen Abend drangen einige wütende Bauern zu Fuß in den Großmarkt Rungis ein, wo dann 79 der Bauern festgenommen wurden.
Seit Tagen vertröstet die französische Politik die aufgebrachten Bauern mit schwammigen Versprechungen, die in erster Linie von „Brüssel“ einzulösen sind, doch aus Brüssel hört man bereits, dass man keineswegs bereit ist, die schnell zusammengezimmerten französischen Forderungen umzusetzen. Während Emmanuel Macron sagte, dass die Verhandlungen um das Freihandelsabkommen „Mercosur“ beendet werden müssten, hieß es in Brüssel, dass man gar nicht daran denke, diese Verhandlungen zu beenden. Gleiches gilt für das Versprechen von Gabriel Attal, sich für das Ende der obligatorischen Brachflächen einzusetzen, denn auch hierfür wird es keine europäische Einstimmigkeit geben.
In ihrer Unaufgeräumtheit versteigen sich die französischen Politiker inzwischen auch zu Beleidigungen, an die sich die Franzosen erinnern werden, spätestens am 9. Juni, wenn das neue Europaparlament gewählt wird. So sagte Innenminister Darmanin, dass man nicht gegen die Bauern vorgehen wolle, denn immerhin wären das ja die arbeitenden Franzosen. Ein weiterer Schlag ins Gesicht der Millionen Franzosen, die vor nicht langer Zeit gegen die Anhebung des Renteneintrittsalters protestierten und offenbar von dieser Regierung nicht als „arbeitende Bevölkerung“ betrachtet werden.
Nur, diese Überlegungen lösen diese Situation nicht auf. Die Bauern wollen nach Rungis, um dort zu protestieren, wo die Unternehmen viel Geld mit den Produkten verdienen, die die Einkaufszentralen den Bauern mit massivem Druck zu Minimalpreisen abkaufen. Insofern ist die Symbolik von Rungis als Ort des Protests nachvollziehbar, doch ist völlig unklar, wie dieses Armdrücken zwischen den Bauern und der Regierung enden könnte. Mit Prügelorgien sollte sich Darmanin zurückhalten, denn trotz der Blockaden der Autobahnen stehen nach wie vor 87 % der Bevölkerung auf der Seite der Bauern – während die Zustimmung für die Regierung unter 20 % liegt.
Eines ist klar – mit schwammigen Versprechungen werden Emmanuel Macron und sein Kronprinz Gabriel Attal die „arbeitende Bevölkerung“ nicht beruhigen können und je länger diese Proteste dauern, desto schärfer wird der Ton werden.
Anzubieten hat die Regierung den Bauern nicht viel, zumal das Leben in der Landwirtschaft etwas ist, das den Eliteschülern in der französischen Regierung so vertraut ist wie die Mars-Oberfläche. „Wir haben die Schnauze voll von diesen leeren Versprechungen“, hörte man gestern Abend auf der Blockade der Autobahn A6. Doch viel mehr werden Macron / Attal bis zum Ende der Woche auch nicht anbieten können.
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