Berlin – Hauptstadt aller Krisen

Berlin war immer schon eine kontrastreiche Stadt. Doch zu Beginn dieses Jahres 2023 gibt es wohl wenige Städte, in denen man die aktuellen Krisen so deutlich sieht.

Bewunderung für die Ukraine in Berlin. Aber es gibt auch andere Ansichten... Foto: eurojournalist.eu / CC-BY 2.0

(KL) – Keine Frage, Berlin ist eine tolle Stadt. Doch momentan ist Berlin die Hauptstadt aller Krisen, die sich hier sichtbarer manifestieren als anderswo. Krieg in der Ukraine, Pandemie, soziale Verelendung, politische Instabilität – in Berlin treffen diese Krisen auf sehr gegenteilige Positionen. Man spürt in den Straßen der Hauptsdtat deutlich, daß gerade einiges aus dem Ruder läuft.

Der Krieg in der Ukraine präsentiert sich überall in der Stadt, insbesondere auf dem Boulevard Unter den Linden. Vor der russischen Botschaft, die sich in unmittelbarer Nähe des Pariser Platzes am Brandenburger Tor befindet, dort, wo die USA, Großbritannien und Frankreich ebenfalls ihre Botschaften haben, ist das gesamte Trottoir gesperrt und auf dem Mittelstreifen vor der Botschaft hängen ukrainische Fahnen und Porträts von Kriegsopfern und auf dem Boden befindet sich eine Art Schrein für die Ukraine. Diese kleine „Gedenkstätte“ ist eine stumme Anklage gegen Russland, dessen durch nichts zu rechtfertigender Angriffskrieg die Welt gerade in den III. Weltkrieg führt.

Foto: eurojournalist.eu / CC-BY 2.0

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Doch in Berlin finden sich erstaunlich viele Befürworter der russischen Politik, was daran liegt, dass die 40 Jahre der faktischen Besetzung der damaligen DDR Spuren und viele Sympathien für Russland hinterlassen haben. In Berlin stoßen unvereinbare Positionen aufeinander. Während entlang des Prachtboulevards Unter den Linden zahlreiche großflächige Solidaritätsbekundungen für die Ukraine hängen, findet man bereits am Gendarmenmarkt gesprühe Parolen an den dortigen Baustellenzäunen, die nicht sehr nach Solidarität mit der Ukraine klingen, wie man auf dem Artikelbild erkennt.

Auch die Pandemie wirft Fragen im täglichen Leben der Berliner und der Besucher der Hauptstadt auf. Offiziell ist das Tragen von FFP2-Masken in Bussen, U-Bahnen und S-Bahnen vorgeschrieben, was aber inzwischen geschätzte 40 % der Fahrgäste nicht interessiert. Es kontrolliert allerdings auch niemand, ob die Menschen eine Maske tragen oder nicht. Doch was nützen Maßnahmen, speziell in der überfüllten Berliner U-Bahn, die nur von einigen befolgt werden? In der Berliner U-Bahn erkennt man gut die Stimmung in der Bevölkerung nach drei Jahren Pandemie – die einen haben Angst und versuchen, sich und andere zu schützen, während die anderen das Nichttragen einer solchen Maske wohl als Ausdruck des Protests sehen. Doch diese Uneinigkeit in der Bevölkerung ist kein gutes Zeichen für die nächsten Zeiten, in denen wir uns wahrscheinlich mit der nächsten „Welle“ auseinandersetzen müssen.

Die soziale Verelendung, immer schon ein Thema in Berlin, wird ebenfalls immer sichtbarer. Obdachlose haben sich ihre „festen“ Quartiere selbst in den teuren Vierteln eingerichtet und zeigen eindrücklich den Kontrast zwischen Prunk und Reichtum und Armut und Verelendung. Diese Obdachlosen nimmt kaum noch jemand wahr. Auch das ist kein gutes Zeichen, wenn der Rest der Gesellschaft gegen diese Verelendung abstumpft.

Und, last but not least, erkennt man momentan an jeder Ecke Berlins die politische Krise. Denn in Berlin muss erneut gewählt werden, da die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland im vergangenen Herbst nicht in der Lage war, eine Bundestags- und eine Senats-Wahl nach den Regeln eines demokratischen Rechtsstaats zu organisieren. Und so lächeln die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (von der niemand weiß, ob sie gerade wirklich Bürgermeisterin ist oder nicht…) und ihre Wettbewerber von riesigen Plakaten herab und versuchen, Normalität zu spielen.

Eine Hauptstadt ist immer auch eine Vitrine, ein Spiegel des Gesamtzustandes eines Landes. Wenn man die Zerrissenheit Berlin betrachtet, bekommt man das mulmige Gefühl, dass gerade vieles aus dem Ruder läuft. Und ganz besonders in Berlin, dieser wunderbaren, quirligen, kulturellen Stadt. Man darf gespannt sein, wie die Stimmung in Berlin in einem Jahr aussieht…

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