Berlin will gegen „Armutsmigration“ vorgehen

Nichts macht den Deutschen mehr Angst als die Perspektive, ausländische Schmarotzer könnten vom Wohl des deutschen Sozialstaats profitieren. Jetzt soll es ein Gesetz dagegen geben.

Wer arm ist, wird in unserer Gesellschaft doppelt bestraft - durch Mangel und Stigma. Und arme Flüchtlinge will man schon gar nicht. Foto: blu-news.org / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Alleine das Wort „Armutsmigration“ ist eine Schöpfung aus mangelnder Solidarität, kaltem Geschäftssinn und der irrigen Annahme, dass es Menschen aus anderen Ländern und Kulturen Freude machen würde, durch die Mühlen der deutschen und europäischen Einwanderung zu laufen, damit sie in unseren schönen Ländern billige Lebensmittel vom Discounter essen dürfen. Auch bittere Armut, drohender Hunger oder die Unmöglichkeit, seine Familie zu ernähren, ist ein ausreichender und völlig korrekter Grund, woanders ein besseres Leben zu suchen. Spaß, Faulheit, Freude und Abenteuerlust dürften in den wenigsten Fällen der Grund dafür sein, auf dem Weg ins gelobte Land sein Leben aufs Spiel zu setzen.

Aber jetzt will die Bundesregierung ganz andere Saiten aufziehen. Sozialschmarotzer? Das ist vorbei! Sozialleistungen erschleichen? Dann wird aber ruck-zuck ausgewiesen. Was der deutsche Stammtisch aber leider übersieht, ist die Tatsache, dass Asylanten in Deutschland ewig lange Sperrfristen haben, bevor sie arbeiten dürfen – klar, dass sie bis dahin Sozialhilfe beziehen.

Und es stellt sich die Frage: ist Deutschland wirklich ein so armes Land, dass wir mit einheimischen und zugewanderten Hilfsbedürftigen so mies umgehen müssen? Wo ist die internationale Solidarität in Zeiten, in denen die Welt in Flammen steht und so viele direkte und indirekte Opfer verursacht? Ist das wirklich der Zeitpunkt, trotzig auf unsere Errungenschaften zu verweisen und diese Dritten zu verweigern?

Laut Informationen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ist ein Gesetz geplant, das knallharte Strafen bei Sozialmissbrauch vorsieht, unter anderem die Höchststrafe, nämlich die Ausweisung. Häufig reicht als „Vergehen“ dazu schon, einfach nur da zu sein.

Doch nicht nur Zuwanderer aus Nicht-EU-Staaten sind nun im Visier der Bundesregierung, sondern auch EU-Bürger. Die haben nämlich nur sechs Monate Zeit, in Deutschland einen Job zu finden, ansonsten müssen sie wieder gehen. Diese Maßnahme dürfte vor allem auf die Menschen aus den neuen EU-Staaten im Osten Europas abzielen.

Hier stimmt grundsätzlich die Richtung nicht. Armut ist kein Strafbestand, den es zu ahnden gilt, sondern ein persönliches Schicksal, dass für viele Flüchtlinge eine Art „Nebenwirkung“ ganz anderer Probleme in ihrem Heimatland ist. Und wir schwingen uns auf, über deren Wohlergehen oder Verzweiflung zu richten?

Nein, das Boot ist nicht voll und die Kassen sind nicht leer. Wir haben nur keine Lust zu teilen. Lieber bleiben wir auf unseren Reichtümern sitzen, als sie mit Menschen aus anderen Ländern und Kulturen zu teilen. Wie christlich, sozial und im Grunde einfach nur jämmerlich. Aber vielleicht merken wir irgendwann, dass Deutschland nicht als isolierte „glückliche Insel hinter den Winden“ existieren kann und – wer weiß, wann es auch mal wieder Flüchtlinge aus Deutschland gibt. Ob wir uns dann wünschen, dass die gleichen Maßstäbe dann auch für uns in anderen Ländern gelten?

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste