Bescheidenheit ist eine Zier – Mangel an Ehrgeiz aber nicht

Das 4. Weltforum für Demokratie ist in Straßburg zuende gegangen – eigentlich eine tolle Veranstaltung, die genau zum richtigen Zeitpunkt kam. Doch leider fehlte wieder die richtige Ambition.

Der Generalsekretär des Europarats Thorbjörn Jagland sollte für das WFD 2016 endlich einmal ehrgeizige Ziele definieren. Das würde nämlich der Straßburger Veranstaltung gerecht werden. Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Vorweg gesagt, das Weltforum für Demokratie (WFD) in Straßburg ist eine wichtige Veranstaltung und es war absolut richtig, dieses Weltforum trotz der Aktualität stattfinden zu lassen. Denn wenn sich Terror und politischer Extremismus breit machen, dann ist es doppelt wichtig, wenn sich führende Köpfe aus allen Bereichen der Gesellschaft zusammensetzen und gemeinsam nachdenken, wie man die Dinge besser gestalten kann. Der Titel der Veranstaltung, die letzte Woche in Straßburg stattfand, lautete folgerichtig „Freiheit oder Kontrolle – für eine demokratische Antwort“. Und obwohl fast alles richtig gemacht wurde, vergaß man am Ende das Wichtigste – nämlich die passende Antwort auf diese brennende Frage zu geben.

Der Titel der Veranstaltung sagt eigentlich alles – „Weltforum für Demokratie“, das ist keine kleine Hinterhofveranstaltung, sondern eben ein Weltforum, von dem sich die Welt zurecht Impulse, Anhaltspunkte, Ideen erwartet. Doch genau daran hapert es bei diesem Weltforum und das nun bereits zum vierten Mal. Ein großartig organisiertes Programm, mit „Labs“ im „Programm IN“, wo sich Wissenschaftler, Experten, Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft aus aller Herren Länder trafen und gemeinsam diskutierten, ein ebenso großartig organisiertes „Programm OFF“, bei dem auch die Straßburger trotz der letzte Woche herrschenden Trauer, Wut und Angst aktiv eingebunden waren – so viele Veranstaltungen, dass es schlicht unmöglich war, mehr als nur einen kleinen Teil davon zu besuchen, doch am Ende bleibt, wie schon in den drei Jahren zuvor, die Frage nach dem Ergebnis.

Im Vorfeld hatte die für die Stadt Straßburg maßgeblich mit der Programmgestaltung beauftragte Beigeordnete Bürgermeisterin Nawel Rafik-Elmrini darauf hingewiesen, dass zahlreiche Aktivitäten nach der letzten Ausgabe des WFD unternommen worden waren, beispielsweise zur Unterstützung des in Saudi-Arabien eingekerkerten Bloggers Raif Badawi und das ist auch sehr gut so. Nur – warum setzt man sich nun schon zum vierten Mal nicht das Ziel, gemeinsam etwas ganz Konkretes zu erarbeiten? Etwas, was die jemenitische Friedensnobelpreisträgerin Tawakkul Karman (die auch dieses Mal wieder mit dabei war) bereits bei der ersten Ausgabe angeregt hatte – eine Definition gemeinsamer, demokratischer Grundstandards, mit denen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen nach Hause fahren und arbeiten können. Damals sagte Tawakkul Karman: „In unseren Ländern brauchen wir Werkzeuge, mit denen ein demokratischer Prozess gefördert werden kann. Natürlich ist die Ausgestaltung von Demokratie in allen Regionen der Welt unterschiedlich, aber es wäre so hilfreich, würden wir uns auf gemeinsame Grundstandards festlegen, die auch bei unterschiedlicher Ausgestaltung für alle gültig bleiben?“ Damals hatten die anwesenden Politiker höflich geklatscht, zugehört hat der Friedensnobelpreisträgerin aber wohl niemand.

Wo ist nach dieser von den Umständen her denkwürdigen 4. Ausgabe des Weltforums für Demokratie der „Appel von Straßburg“? Wo ist die „Straßburger Demokratie-Charta“? Wo sind die „Straßburger Grundregeln der Demokratie“? Und – wie oft soll diese eigentlich tolle Veranstaltung noch stattfinden, bevor sich die Veranstalter, der Europarat, die Stadt Straßburg und die Region Elsass dazu durchringen, ihre eigene Ambition dem Titel dieser Veranstaltung anzupassen?

Wenn ein Weltforum für Demokratie bereits zum vierten Mal vorbei geht, ohne dass ein solch ambitioniertes Projekt in die „Labs“, in die Diskussionsrunden, in die beiden Programme „IN“ und „OFF“ gegeben wird, mit einer gemeinsamen Verabschiedung einer Resolution am Ende dieser Veranstaltung, dann wird sich irgendwann die Frage stellen, wie viel Sinn es macht, viel Geld in die Hand zu nehmen, um ein solches Weltforum zu organisieren.

Natürlich muss es 2016 eine fünfte Ausgabe dieses Weltforums geben. Es ist einfach zu wichtig, eine solche Plattform zu schaffen, auf der sich führende Köpfe aus der ganzen Welt austauschen können, um gemeinsam Wege zu erarbeiten, wie diese Welt, die gerade vor die Hunde geht, auf einen anderen, besseren Weg zu führen. Sehr viele Gelegenheiten zu einem solchen Austausch gibt es auf der ganzen Welt nicht – was bedeutet, dass wenn die Veranstalter weiterhin ohne den Ehrgeiz unterwegs sind, wirklich etwas zu schaffen, das die Welt in eine bessere Richtung bewegen kann, dieses Weltforum irgendwann aufgrund seiner Wirkungslosigkeit überflüssig wird.

Das Weltforum für Demokratie ist ein wunderbares Instrument, das Großes bewegen könnte. Das kann es allerdings nur, wenn diejenigen, die es organisieren, sich dieses Umstands auch bewusst sind und zumindest versuchen, ergebnisorientiert zu arbeiten. Also – Ärmel aufkrempeln für 2016 und nächstes Jahr, bitte, setzt euch ein ehrgeiziges Ziel! Das Format hat das Potential, wirklich etwas zu bewegen, doch wenn das niemand unter diesem Gesichtspunkt in Angriff nimmt, dann wird es vielleicht keine sechste Ausgabe mehr geben und die Welt, aber auch Straßburg und die ganze Region, hätten einmal mehr eine ganz wichtige Chance verpasst. Und das wäre wirklich zu schade.

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