Big Business mit „Charlie“ – irgendwie widerlich

Rings um "Charlie" ensteht gerade eine Merchandising-Welle. Doch "Charlie" ist weder chic noch hip, "Charlie" ist tragisch. Und die Geldmacherei damit ist ziemlich respektlos.

Die neue Ausgabe von "Charlie Hebdo", aber auch andere "Fan-Artikel", werden zu Phantasiepreisen gehandelt. Foto: Imgur's Best

(KL) – Die Auflage der gestern erschienen Ausgabe von „Charlie Hebdo“ betrug nicht 60.000 wie normalerweise, sondern sage und schreibe 5 Millionen. Und es hätten doppelt oder dreifach so viele sein können. Denn „Charlie Hebdo“ zu kaufen, das ist in diesen Tagen ein Akt der Solidarität. Alleine schon, damit „Charlie“ weiterlebt. Und wenn dabei der eine oder andere versteht, warum eine freie, nicht zensierte, nicht selbstzensierte und unabhängige Medienlandschaft wichtig ist, dann hätten wir alle viel gewonnen.

Dass das finanziell schwer angeschlagene Blatt sein Überleben ausgerechnet einem mörderischen Terroranschlag verdankt, hat schon etwas Seltsames. Und wenn man dann anschaut, zu welchen Phantasiepreisen die aktuelle Ausgabe von „Charlie Hebdo“, aber auch die berühmten Ausgaben mit den „Mohammed-Karikaturen“ versteigert werden, dann muss man schon mal die Stirn runzeln.
Und das Stirnrunzeln wird noch etwas intensiver, wenn man sieht, was für ein Merchandising-Hype um „Charlie“ entstanden ist. Kaffeemugs mit „Ich bin Charlie“-Aufdruck, T-Shirts, Buttons, Kapuzenpullis, Aufkleber, ja sogar ein „Je suis Charlie Hipster Bag“, vulgo „Einkaufsbeutel“ werden angeboten und zahlreiche flotte, aber wohl auch etwas gewissenlose Zeitgenossen wollen jetzt den schnellen Euro aus dem Drama von Paris schlagen. Was wohl nicht gerade im Sinne der Ermordeten sein dürfte.

5.000 € will jemand auf Ebay für die berühmte Ausgabe 1057 von “Charlie Hebdo” haben und die Chancen stehen gut, dass er das Geld auch bekommt – immerhin beobachten schon 57 Personen diese Versteigerung. Doch sollte man jetzt mal kurz auf die Bremse treten. Dass “Charlie Hebdo” jetzt eine tierische Auflage hat, ist großartig, dass das Blatt auch auf Englisch und Arabisch erscheinen soll, ist auch klasse, dass immer mehr Menschen „Charlie Hebdo“ abonnieren, damit „Charlie“ weiterleben kann, ist wichtig, doch sollte das Drama von Paris kein Kassenschlager werden. Man sollte nicht vergessen, dass in Paris 17 Menschen ums Leben gekommen sind, dass wir alle einige der frechsten, mutigsten und talentiertesten Karikaturisten und Journalisten verloren haben und dass dies eher ein Anlass für ein gemeinsames Aufstehen als für den großen Reibach ist.

Steigern Sie also nicht auf Ebay für “Charlie Hebdo” mit – in Deutschland soll am Wochenende ein größeres Kontingent der aktuellen Ausgabe in die Kioske gelangen und dann kann man Glück haben und noch ein Heft ergattern. Alles OK. Aber dann sollte man sich erinnern, was letzte Woche in Paris geschehen ist und denjenigen den Rücken kehren, die aus “Charlie” nun eine lukrative Modeerscheinung machen wollen. Das ist es nämlich wirklich nicht.

1 Kommentar zu Big Business mit „Charlie“ – irgendwie widerlich

  1. Satire muss sicher erlaubt sein, allerdings halte ich die Steigerung der Auflage um das mehrere hundertfache und den Vertrieb in verschiedensten Ländern so kurz nach dem Anschlag für völlig unangebracht. Hier wird auf Kosten der Getöteten die Profitgier der Besitzer gestillt und ausschließlich wirtschaftliche Interessen befriedigt.

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